26:30 Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.
Mehr und mehr wird mir deutlich, dass das Geheimnis der Eucharistie ganz eng verbunden ist mit dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Christus. "Wer mich sieht, sieht den Vater" (Joh 14,9), sagt Jesus zu Philippus. Aber stimmt denn das? Hat das damals, zu Jesu Lebzeiten gestimmt?Sehen wir - als ein Beispiel - Jesus vor uns, wie er mit seinen Jüngern an einen einsamen Ort geht, um sie dort zu fragen: "Wer sagt ihr, dass ich sei?" Petrus antwortete für die anderen mit: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes". Und Jesus bezeugt ihm: Das hast du nicht von dir selbst, "das hat dir mein Vater im Himmel geoffenbart!" (Mt 16,17).
Es lag also auch für die Menschen, die unmittelbar mit Jesus zusammen lebten, nicht auf der Hand, dass er Gottes Sohn war - dass Gott in ihm "sichtbar" wurde. Das konnten auch die Menschen zu Jesu Lebzeiten nicht mit ihrem Verstand erkennen, sondern Gott musste ihnen das Sehen schenken. Nicht dem nachdenkenden Verstand, sondern dem "sehenden Herzen" erschließt sich das Geheimnis Gottes.
Eine lange Zeit des inneren Schauens mit ihren Herzen brauchten die Christen, bis sie Jesus Christus als wahren Gott im wahren Menschen bezeugen konnten. In ihm fand Gott den Weg mitten in unsere Welt hinein, - und seitdem ist es möglich, dass Dinge, Geschehnisse und Menschen in dieser Welt Gott in sich tragen können. Durch Christus ist unsere Welt "gottfähig" geworden, wie die geistlichen Väter sagen. Irdisches kann nun zum Träger göttlicher Wirklichkeit werden. Mit diesem Gedanken nahen wir uns dem innersten Geheimnis der Eucharistie.
Jesus Christus hat in der Stunde des Abschieds von den Seinen Brot und Wein als Träger seiner bleibenden Gegenwart eingesetzt. Es ist ein letztes Vermächtnis, ein Testament, das seine Jünger als Erben einsetzt - nicht als Erben von Geld und Gut, sondern als Erben seiner bleibenden Gegenwart. Er spricht von einem Geschehen, das sich nicht mehr wiederholen wird, so lange unsere irdischen Maßstäbe gelten, so lange, bis das schlechthin Neue, das Geheimnis des neuen Lebens, das Geheimnis des Gottesreiches angebrochen ist.a) Das Symbol in seiner "Gottfähigkeit".Vielleicht verstehen wir das kaum, aber wir können versuchen, auf unser Herz zu horchen, ob uns darin eine Ahnung von diesem Geheimnis aufleuchtet. Dazu mögen uns die sichtbaren Symbole ein wenig helfen.
Symbol ist mehr als ein Zeichen, es ist Träger einer Wirklichkeit. Jesus benutzt das ungesäuerte Brot des Passahmahles, um es als Träger seiner bleibenden Gegenwart einzusetzen. Für evangelischen Christen ist es oft eine fremde Vorstellung, wenn in der Katholischen Kirche die Hostie, das runde weiße Brot, zum Anschauen dargestellt wird. Wir möchten heute alles möglichst schnell und mühelos begreifen. Das Herz aber braucht Zeit, um sich wirklich auf ein Symbol einzulassen, um es anzuschauen, wie es in jeder gegenständlichen Symbolmeditation geübt wird. Wir müssen heute das Verweilen und Schauen in der Stille wieder lernen und üben, wenn wir die Dinge nicht nur an ihrer Oberfläche, sondern in ihrer Tiefe begreifen wollen. Das gilt von jedem Symbol der Schöpfung, in dem wir - meditierend und verweilend - Gottes "Fußstapfen" erkennen können. Wie hat Jesus selbst in Meditieren der Blumen und Vögel die Liebe seines Vaters geschaut! Hier aber verdichtet sich diese Möglichkeit noch einmal in einer neuen Qualität: Gott hat sich für uns in der Eucharistie in einer besonderen Weise sichtbar und begreifbar gemacht.b) Das Symbol des Brotes.
Brot ist ein tiefes Symbol, ein Ursymbol für den Menschen. Es begreift alles in sich, was der Mensch lebensnotwendig braucht. Brot ist da, um gegessen zu werden - nur so erfüllt es seinen ihm innewohnenden Sinn. Es will zur Nahrung für den Menschen werden, indem er es in sich aufnimmt, es verdaut - und so seine eigene Lebenskräfte aus dieser Nahrung immer neu aufbaut.Wenn Jesus sich den Seinen in dieser entscheidenden Stunde vor seinem Leidensweg "zum Essen" anbietet, dann kann man lange darüber meditieren, was dieses alles in sich birgt. Will er so in uns eingehen, so in uns weiterleben, dass sich unsere Lebenskräfte aus den seinigen immer wieder erneuern und aufbauen? "Der Mensch lebt nicht von dem, was er isst, sondern von dem, was er verdaut", sagt eine Redensart. Sie bekommt in unserer Blickrichtung einen neuen Sinn. Es reicht nicht aus, dieses Brot der Eucharistie zu essen, wenn wir nicht davon unser Leben durchdringen lassen, wenn nicht die Lebenskräfte Jesu Christi, die in uns einströmen, unser konkretes Leben von innen her verwandeln.
Kann nicht auch die Lehre von der "Wandlung", die der katholischen Theologie so wichtig ist, eine umfassendere Deutung erfahren, wenn der Betende dieses "Wandlungsgeschehen" meditierend betrachtet - und sich selbst einbezogen erfährt? Es ist ja ein Grundsatz des Meditierens, dass der Meditierende sich mehr und mehr in das verwandelt, was er in Liebe anschaut. Wünschen wir uns nicht als lebendige Christen, mehr und mehr in Christus hinein verwandelt zu werden?c) Das Symbol des Weines.
Vielfältige Bedeutungsmöglichkeiten trägt dieses Symbol in sich: Wein kann sowohl als Symbol der Freude, der Lebenserfüllung gesehen werden, als auch der Kelch als Symbol des Leides und des Schmerzes. Vielleicht kann gerade diese Doppelbedeutung in einer verborgenen Weise ein Hinweis sein auf die Zusammengehörigkeit von Karfreitag und Ostern - die letzte Einheit von Tod und Leben, von Schmerz und Freude, die in jeder Eucharistiefeier aufleuchtet: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit." Das ist - in kurzer Form gefasst - das Geheimnis unseres christlichen Daseins.("So wir mit ihm gepflanzt werden zu gleichem Tode, so werden wir auch seiner Auferstehung gleich sein") (Röm 6,5).
Exegetische Anmerkungenevangelisch: Reihe VII,1 Gründonnerstag
katholisch - Reihe A - 07.Palmsonntag (26,14 - 27,66)