Dieses verborgene Bild Gottes im Menschen zu erspüren ist das Anliegen dieser Übungseinheit - aber letztlich ist es ein Grundanliegen jedes Menschen, der als Christ einem anderen Menschen gerecht werden möchte. Daß das nicht einfach ist, wissen wir alle.
In einem Gespräch über die Angst vieler Menschen, ihr "Unterbewußtes" und "Unbewußtes" an das Licht kommen zu lassen, fiel ein mir unvergeßliches Wort: "Es gibt vieles Dunkle in mir, das in meinem Unterbewußtsein verborgen ist - aber noch tiefer als dieses Dunkle, in der allertiefsten Tiefe meines Seins, da bin ich der, als den mich Gott nach seinem Bilde geschaffen hat."
Im Schauen auf das, was einen Menschen - auch einen schwierigen und sonderbaren Mitmenschen - zum "Ebenbild Gottes" (Symbolbild) macht, darf ich es immer neu glauben, daß dieses Gottesebenbildlichkeit vorhanden ist, wenn auch verborgen; ich darf immer neu an der Hoffnung festhalten, daß sich dieses ursprüngliche Bild einmal enthüllen wird; und schließlich ist es die Liebe zu diesem Menschen, die dazu hilft, daß sich das verborgene Bild Gottes überhaupt entfalten kann. So wird der Mitmensch für mich zum Ort, an dem ich Gott begegnen kann. Im glaubenden und liebenden Umgang mit ihm wachsen in mir Glaube, Hoffnung und Liebe überhaupt, durch die mir der Zugang zu Gott geschenkt wird. Aber das Umgekehrte gilt ebenso: Je lebendiger in mir Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott sind, desto leichter wird es mir auch fallen, in dieser Weise meinen Mitmenschen zu begegnen.
- Ich meditiere einen bestimmten Menschen und lenke dabei meinen inneren Blick bewußt auf das, was ich Gutes an ihm entdecken kann - hellwach für jedes noch so kleine und unscheinbare Zeichen seiner Gottesebenbildlichkeit - seiner Christusähnlichkeit - seiner Geisterfülltheit (Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Glaube, Selbstbeherrschung nennt der Galaterbrief als Gaben des Geistes) ...
- Ich danke Gott für seine Gaben in diesem Menschen und verweile an einer Stelle: ehrfürchtig - schauend - verkostend - im Verweilen vor Gott, dem ich in, mit und unter diesem Menschen wahrhaft und wirklich (zweiter Aspekt eines geistlichen Symbols) in einer Dimension seines Wesens begegnen kann ...
- Ich
lenke in aller Behutsamkeit meinen Blick auf das, was mir dunkel an diesem
Menschen vorkommt, und warte gewissermaßen in dieses Dunkel hinein,
ob vielleicht ein kleiner Lichtschein durch dieses Dunkle hindurch leuchtet
(jeder Fehler hat auch eine positive Kehrseite) ...
Achtung: Auf den dritten Teil der Übung darf ich mich nur dann einlassen, wenn ich es in emotionaler Ausgeglichenheit tun kann. Brechen starke negative Emotionen in mir auf, dann ist es wichtig, daß ich sie "gesund" abreagieren kann, vielleicht durch einen kräftigen Marsch oder ähnliches. |
Jesus
Christus, der du mir in N. begegnen willst, öffne mir die Augen für
deine Gegenwart
Was
schon allgemein gesagt wurde, gilt in besonderem Maße für meinen
Umgang mit Menschen. Gerade bei menschlichen Begegnungen scheinen oft die
guten Vorsätze und Erkenntnisse der morgendlichen Gebetszeit wie aus
dem Gedächtnis ausgelöscht zu sein. Hier hat sich für mich
persönlich das Wiederholungsgebet als hilfreich erwiesen. Was sich
durch atmendes Wiederholen so in mich eingeprägt hat, daß es
in mir unbewußt "weiterbetet",
übt auch dann noch seine Wirkung
auf mich aus, wenn ich mich mit meinen bewußten Kräften ganz
auf einen anderen Menschen einstelle, wie es etwa ein wichtiges Gespräch
erfordert - selbst dort, wo dieses mich emotional erregt.