Woche  11b - Freitag

6. Wahrnehmen meiner alltäglichen Aufgaben
als Übungsfeld des Betens im symbolischen Tun

Hinführung
Ein gewisses Maß an praktischer Tätigkeit gehört zur äußeren Gesundheit eines Menschen. Nach zwei Tagen Meditation sagte mir ein Teilnehmer: "Jetzt hätte ich große Lust, einmal Holz zu hacken!" - Ein gesundes Gefühl! Und ebenso gehört solches körperliches Tun auch zur Gesunderhaltung unseres inneren, unseres geistlichen Lebens. Der Mensch ist eine Einheit von Geist, Seele und Leib, die sich jeweils in der ihnen gemäßen Art und Weise entfalten wollen. Was ich in meinem Verstand als richtig erkenne, was ich ehrlich will, muß sich in meinem Tun "verleiblichen", sonst ist mein "Haus auf Sand" gebaut (Mt 7,26). Erst wo ich mein Wollen ins Tun umsetze, geschieht ein Stück Verwirklichung - und solches "Wirken" ist wirksamer und wirklicher als alle Pläne und guten Vorsätze. Ich möchte diese Linie sogar noch weiter ausziehen: "Das Wort ward Fleisch" (Joh 1,14). Weil Gott Fleisch wurde, hat das Umsetzen unseres Wollens in das wirkliche Tun etwas mit dem Geheimnis der Leibwerdung Gottes, mit seiner Inkarnation zu tun.

Deshalb geht es nun darum, auch unser Beten zu verleiblichen und es damit aus dem Eingeschlossensein in den Raum unseres Denkens und Wollens zu befreien: Ich kann und soll nicht nur während meines Arbeitens, während meines Tuns beten, sondern ich möchte Wege finden, das Tun selbst zum Gebet werden zu lassen, zum "Gebet der Tat". Wie ist das gemeint?

Das Beten beim Arbeiten oder während des Tuns hat seine Grenzen. Diese können in der Form der Arbeit liegen: Wo ich geistige Arbeit leiste, ja, wo eine Arbeit meine gesammelte Aufmerksamkeit braucht, da kann ich nicht nebenbei noch beten - und soll es auch nicht tun. Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, gilt das in noch stärkerem Maße. Wollte ich während eines Gesprächs versuchen, gleichzeitig in Gedanken und Worten zu beten, würde ich mich selbst überfordern und gleichzeitig der mir jetzt zugeordneten Aufgabe - mich ganz auf den anderen Menschen einzustellen - ausweichen.

Doch die Grenzen können auch in meinen eigenen Begrenzungen liegen: Wenn ich bei einer gleichmäßigen, kontinuierlichen Arbeit - wie zum Beispiel beim Unkrautjäten - vielleicht eine Stunde lang intensiv gebetet habe, bin ich innerlich müde und erschöpft. Selbst wenn ich noch weitere zwei Stunden jäte, kann ich dabei nicht mehr in dieser mündlich-geistigen Form beten. Gibt es einen Weg, die Arbeit selbst zum Gebet werden zu lassen?

Vielleicht ist mir beim Ausgraben eines Wurzelunkrautes mit seinen tiefverzweigten Wurzeln in den Sinn gekommen, welche Symbolkraft dieses Tun besitzt: Gibt es nicht auch in mir ähnlich tiefsitzende Fehlhaltungen, deren "Wurzeln" so verborgen in mir liegen, daß es unmöglich ist, jede einzelne zu entfernen? Und wachsen aus diesen Wurzeln nicht immer und immer wieder neue Triebe heraus? Indem nun meine Hände weiterarbeiten, eine Wurzel nach der anderen ausgraben, wird dieses Tun selbst zum "Gebet der Tat". Meine Hände sind es nun, die beten: "Befreie mich von den Wurzeln meiner Schuld - vernichte auch die kleinen, verborgenen Wurzelstücke, die ich nicht finden und entfernen kann - schaffe in mir, Gott, ein reines Herz..."

Je einfacher und wesentlicher eine Alltagsarbeit ist, desto müheloser wird sie sich mir in ihrer Symbolkraft erschließen, und damit in ihrer Übertragbarkeit. Damit aber habe ich einen Weg gefunden, mit meinem Tun zu beten und gleichzeitig meinem Alltag eine neue "Dimension der Tiefe" (Tillich)  zu verleihen.


Übung
In einer Symbolmeditation (s. Symbole und Hinweis für Symbolmeditation ) meditiere ich eine vor mir liegende Arbeit, die ich mit meinen Händen ausführe. Dabei lasse ich dieses Tun "transparent" werden, ich übertrage es auf ein geistliches Anliegen, wie es sich aus der Gleichnishaftigkeit des jeweiligen Tuns ergibt ...
Hinweis: Die Bibel ist reich an Metaphern. Bestimmte Berufe werden gleichnishaft sowohl für das Handeln Gottes als auch für die Arbeit des Menschen in seinem Dienst gebraucht. Gott wird zum Beispiel "Arzt", "Meister", "Hirte" oder "Hausvater" genannt. Paulus spricht von sich selbst als von einem, der "pflanzt" und der "baut".
Doch niemand braucht sich auf biblische Symboltätigkeiten zu beschränken. In unserem Kurs wurde beispielsweise mehrfach die Tätigkeit des Fensterputzens sowie die Aufgabe des Heizens meditiert.

Gebet der Tat
Nach einer kurzen Vorausbesinnung vor Beginn der Arbeit lasse ich mich ganz auf die vorausmeditierte Tätigkeit ein, tue sie in innerer Ruhe und Sammlung und lasse das Wirken meiner Hände zum "Gebet der Tat" werden ...
- für ein eigenes Anliegen ...
- für einen anderen Menschen ...
- für einen Dienst im Auftrag Gottes ...

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