Neunte Übungsgruppe Schauen auf Jesus Christus - vom Symbol her
Ich habe das letzte Mal keine besondere Aufgabe gestellt. Aber wir stellen immer wieder fest - geradezu verwundert -, wie stark die Nachwirkungen solch einer Meditationsstunde sind. Was man so in sich einläßt, geht mit einem und schenkt "plötzlich", vielleicht erst nach mehreren Tagen, neue Erkenntnisse, es "geht einem etwas auf". Das Bild ist vom Samen genommen, der still aufgeht (Mk 4,27: "Der Mensch schläft und steht auf Nacht und Tag, und der Same geht auf und wächst, ohne daß er’s weiß...").
Vielleicht haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht.
Wir wollen immer bei den neuen Übungen das voraussetzen, was wir vorher gelernt haben. Wenn ich auf eine frühere Übung zurückweise, kann man dort noch einmal nachlesen. Man kann Meditation nur so üben, daß man sich von verschiedenen Seiten herantastet. Was aber zuerst nur wie eine schlichte Vorübung aussah, kann immer mehr Zugang zum innersten Kern der Meditation werden.
Ich schaue innerlich einen Menschen an, den ich liebhabe. Ich kann sehen, was er tut. Es ist gut, wenn es etwas Positives ist - ich kann einem Wort nachsinnen, das ich aus seinemMund gehört habe, ich kann sein Gesicht vor mir sehen in einer bestimmten Situation - wir lassen uns Zeit zu dieser Übung, d.h., wenn mir andere Gedanken oder Bilder kommen, wende ich mich immer wieder bewußt diesem Menschen zu ... (Bitte nehmen Sie sich 10 Minuten Zeit dazu, nicht weniger.)
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Stellten sich Gefühle ein? Haben Sie etwas erkannt, was Ihnen vorher nicht so deutlich war? An dem anderen Menschen? An sich selbst? Ergebnis:
- Bei solche einer Übung wird einem das Herz "warm"! So wächst Liebe. Das tun junge Menschen, die sich lieben, spontan: Sie schauen sich einfach an - und sind glücklich dabei...
- In solchem Anschauen beginnt man, den anderen tiefer zu verstehen, man lernt ihn besser kennen - während er viele Kilometer entfernt sein kann. (Eine alte Lebenserfahrung sagt jungen Menschen, die sich lieben: "Trennt euch erst einmal, damit ihr euch richtig kennenlernt"!)...
- Dasselbe könnte man aber auch tun mit einem Menschen, der einem zu schaffen macht (dieser Vorschlag kam spontan nach der Übung aus dem Kreis). Bei solchem inneren Anschauen kann man plötzlich sehr deutlich wahrnehmen, wie die eigene innere Haltung diesem Menschen gegenüber ist (man möchte ihn nicht ansehen, man möchte sich abwenden ...)
- Wer sich aber dazu überwindet (ich greife jetzt vor auf eine Erfahrung, die Sie machen können, wenn Sie solch eine Übung einige Tage lang für einen bestimmten Menschen machen, der Ihnen zu tragen gibt), der kann erleben, daßdas, was man innerlich übt, in der Wirklichkeit "wirksam" wird. Hat man innerlich geübt, gegen alle Widerstände der eigenen Gefühle, den anderen in Liebe anzuschauen, dann sieht man ihn auch mit diesem Blick an, wenn man ihm das nächste Mal begegnet. Darauf werden wir später zurückkommen. Probieren Sie es selbst einmal aus.
Heute geht es um das Erste: Wenn die Liebe zu einem Menschen dadurch wächst, daß ich ihn innerlich anschaue, dann kann auf diese Weise auch eine andere Liebe wachsen: die Liebe zu Jesus Christus.
Denken wir zurück an die vorige Stunde, als wir über das Rad meditierten. Wir sagten: Christus ist die Achse - was aber gleicht der Nabe, die diese Achse umschließt? Diese Nabe ist meine Liebe zu Christus, die das ganze Leben in allen Bezirken fest um die Achse herumschließt. Soll das Rad meines Lebens richtig "in Christus zentriert" sein, dann kommt alles darauf an, daß diese Liebe in mir wächst! Kann man etwas dazu tun, daß dieses geschieht? Wir greifen noch einmal eine frühere Übung auf und führen sie weiter: Wir überlegen:
Was tut ein Arzt?...
Wir schreiben auf, was uns einfällt ...(siehe auch Material, aber bitte erst selbst überlegen)
Ich lasse in der Meditation das Tun eines Arztes durchsichtig werden für das Tun Jesu Christi, der kam, um die Welt zu heilen ("Heiland").
- 1. Schritt: Ich wähle mir eine Tätigkeit des Arztes aus und schaue auf Jesus: Wie hat dieses Tun in Deinem Leben ausgesehen? ...
- 2. Schritt: Ich selbst bin der Patient, der zu Dir kommt ...
(ca. 5 Minuten Stille ...)Ergebnis:
So kann ich eine Tätigkeit nach der anderen meditieren, als ob ich eine Dia-Serie anschaue unter dem Thema: "So heilst Du mein Leben." Der Stoff reicht aus für die Meditation vieler Tage. Sie haben vielleicht bemerkt, daß man von diesem Ausgangspunkt her ganz neue Seiten an Jesus, ganz neue Dimensionen seines Wirkens in den Blick bekommt.
Der Ausgangspunkt, das Tun eines Arztes, ist sehr einfach in seiner Symbolkraft. In solcher Meditation kann es zu einer Begegnung mit Jesus kommen, in der meine Liebe zu ihm wächst. Dasselbe kann man auch von anderen Ausgangspunkten her versuchen.
(Lehrer, Krankenschwester, Briefträger ...)
Suchen Sie selbst weitere Möglichkeiten, indem Sie einfach im Tagesablauf diese Frage am Herzen haben und die Menschen, die Ihnen begegnen, auf eine solche Möglichkeit hin befragen. Damit haben wir schon einen Schritt darauf zu getan, wie man den konkreten Alltag in die Meditation einbeziehen kann!
Einige Tage nach unserem Kurs sprach mich eine Teilnehmerin impulsiv an: "Ich muß Ihnen noch sagen, was mir hinterher noch aufgegangen ist von dem Gedanken her: ‘Der Arzt bespricht sich mit einem Kollegen.’ Die ganzeFrage: ‘Jesus, der Mittler’ wurde mir von daher neu beleuchtet!" - Warum mußte sie mir das noch sagen? Ich könnte mir vorstellen, daß dahinter die Erfahrung stand: "Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über!" Solche in der Meditation gewonnenen Erkenntnisse können so starke Erlebnisse sein, daß man darüber sprechen möchte. Solche Erfahrungen kann man nicht weitergeben, man muß sie selbst machen. Aber wer sie macht, für den lösen sich alle theoretischen Fragen nach der Existenz Gottes und des Auferstehung Jesu mühelos auf. Was ich selber erlebt habe - und zwar mit einem tiefen Glücksempfinden erlebt habe -, das kann mir kaum jemand wieder durch Verstandesargumente zerstören!
In dieser letzten Übung haben wir ein Grundelement christlicher Meditation kennengelernt, das uns nun immer begleiten wird: das Schauen auf Jesus Christus:
Wie hast Du das getan? Wie hast Du solches erlebt? Was hast Du dazu gesagt?
Zusammenfassung:
Wir können noch einmal zusammenfassen, worum es in diesen Übungen ging, und dabei den Blick noch auf eine neue Möglichkeit richten:
Wir wissen alle, daß es eine Eigentümlichkeit des Pubertätsalters ist, daß man anfängt zu "schwärmen" - für einen Schauspieler, einen Lehrer oder einen anderen Menschen. Was für ein verborgener Sinn liegt darin für die Entwicklung eines jungen Menschen? Das Kind von 12 bis 14 Jahren etwa, an der Schwelle des Erwachsenwerdens, hat ein inneresBild in sich von dem, was es einmal gern werden möchte, eine Sehnsucht, die es aber nicht in den Blick bekommt. Sie wird ihm nur dadurch bewußt, daß das Kind sie gewissermaßen auf einen anderen Menschen projiziert, wie man durch ein Spezialfoto Dinge sichtbar machen kann, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennt. Der Jugendliche, der schwärmt, schaut ja eigentlich gar nicht diesen konkreten Menschen an - oft kennt er ihn kaum -, sondern das eigene Idealbild, das, was er selbst gern sein möchte. Die innere Leidenschaft, mit der dies oft geschieht, zeigt, wie die menschliche Seele "weiß": Ich werde dem gleichgestaltet, was ich liebend anschaue. Diese Gleichgestaltung aber geschieht nicht durch den Verstand: Ich muß so werden wie er! -auch nicht durch den Willen: So mußt du handeln!, sondern fast passiv, einfach durch das Anschauen in der Liebe.
Dieses in Liebe angeschaute Bild ist wie ein Samenkorn, das im Inneren wächst und den jungen Menschen in dieses Bild hinein umgestaltet. Anders gesagt: Wenn ich etwas in Liebe anschaue, dann prägt sich das Bild in meine Seele ein und verwandelt mich von innen her in das Geschaute!
Nichts anderes wollen wir beim Meditieren lernen: Christus in Liebe anschauen. Je tiefer die Liebe ist, desto tiefer prägt sich sein Bild in uns ein!
Wenn ich das regelmäßig tue, dann werde ich vielleicht spüren:
- Wenn ich Christus anschaue, dann beginnt Er mich anzuschauen. Wir wollen das einfach einmal tun: Ich lasse mich anschauen von Jesus ...
- Dieser Blick aber ist Gottes Blick. Unter diesem Blick kommt alles Dunkle hervor, alles Gute in mir aber beginnt zu wachsen. Wir wollen versuchen, diesen Blick auszuhalten - mehr noch, uns ihm in Liebe zu öffnen. Denn angeschaut vor diesem Blick werde ich so, wie Gott mich haben möchte!
Gebet:"Du durchdringest alles;
laß Dein schönes Lichte,
Herr, berühren mein Gesichte.
Wie die zarten Blumen
willig sich entfalten
und der Sonne stille halten,
laß mich so still und froh
Deine Strahlen fassen
und Dich wirken lassen."
(G. Tersteegen)
Aufgabe zur Vertiefung:Wir sollten einmal eine Zeitlang diesen Vers täglich meditieren, nicht darüber nachdenken, sondern eins werden mit den Worten dieses Gebets. Man kann jeden Tag eine andere Zeile meditieren.
- verbindet ...
- schneidet ...
- spritzt ...
- operiert ...
- führt ...
- beruhigt ...
- tröstet ...
- bewahrt vor dem Tode ...gibt das Leben zurück ...
- verschreibt Medikamente ...
- fügt nur Schmerzen zu, wenn es sein muß ...
- flößt Mut ein ...
- weckt Vertrauen ...
- fühlt Puls und Stirn ...
- muß eine sichere Hand haben ...
- muß die richtige Diagnose stellen ...
- verschließt Wunden ...
- sucht die schmerzende Stelle ...
- durchleuchtet ...usw.