Woche 10

Dies Lebensweise finden, die Gott mir anbietet, um Leben in Fülle zu haben


Einführung in die zehnte Übungswoche
Überblick:
1. Vom Geheimnis der Berufung
2. Von Hindernissen, die einer Berufung entgegenstehen
3. Von christlicher Entscheidungsfähigkeit

Um die innere Wachheit für die Grundausrichtung meines Lebens geht es in dieser Woche, um die Frage, wer im "Haus meines Lebens" zu bestimmen hat, wen ich selbst als den "Besitzer" dieses Hauses ansehe.

1. Vom Geheimnis der Berufung
Haben Sie es vielleicht in Ihrem Leben einmal gespürt, daß Sie schon hier und jetzt ein "Stück Himmel auf Erden" erfahren konnten, nachdem Sie ein Ja zu Gott, zu seinem Willen gesagt hatten? Oder ist Ihr Weg ein ganz anderer gewesen? Oft weist nur eine unstillbare Sehnsucht im Herzen darauf hin, daß es etwas geben muß, was diese Sehnsucht erfüllen kann. Erst viel später, nachdem der Mensch gefunden hat, wird ihm voll bewußt, was sein langes Suchen angetrieben hat. Im Rückblick auf solches jahrelanges Suchen sagt der Kirchenvater Augustin: "Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir." Im nachhinein kann mir bewußt werden, daß meine tiefe Unruhe und meine unstillbare Sehnsucht nichts anderes waren als ein schwacher Abglanz oder Widerschein der Sehnsucht, die Gott nach mir hat.

Mögen die Weisen verschieden sein, die "Sache gibt es bis heute: daß Gott Menschen persönlich ruft, "beruft", wie es die Bibel nennt. So hat dieser Gott sein Volk aus Ägypten berufen, damit es in der Wüste vierzig Tage lang lernen sollte, "hinter ihm herzugehen". Dieses prophetische Symbol nimmt Jesus auf, wenn er seine Jünger beruft: "Folge mir nach!"

Der Ruf in die Nachfolge spricht eine Ursituation des geistlichen Lebens an, um welche die Übungen dieser zehnten Woche kreisen. Die Worte, die dafür gebraucht werden, sind verschieden; was sie meinen, ist das gleiche. Der eine spricht von Bekehrung, der andere von Hingabe oder Übergabe des Lebens an Gott. Wer gegen solche Ausdrücke innere Sperren in sich vorfindet, mag zu anderen Worten greifen. Immer geht es darum, daß ein Mensch ein ganzes und vorbehaltloses Ja zu Gott sagt und ihm sein Leben zur Verfügung stellt. Manchmal kann Gott einen Menschen so berufen, daß ein Widerstand kaum möglich zu sein scheint. Davon berichtet uns die Bibel. Daneben steht die andere Möglichkeit, daß ein Mensch allmählich in eine Haltung hineinwächst und eines Tages einfach weiß: Ich kann mein Leben gar nicht mehr anders sehen als Leben in der Nachfolge Jesu Christi.

Berufungen können "inhaltlich" sehr unterschiedlich aussehen. Ich selbst kann mich gut erinnern, wie eindrücklich es für mich als Kind war, als meine Mutter einmal äußerte: "Ja, denkt ihr denn, mein Weg als Lehrerin sei nicht eine klare Berufung Gottes für mich?" Ich spürte, daß es da keine Frage gab. Ebenso steht mir das Bild einer kleinen alten Frau vor Augen. Ihre Kinder mußten sie ins Altersheim geben. Dort setzte sie ihre ganze Kraft und Liebe ein, um ihre Zimmergefährtin, eine durch Gelenkrheumatismus seit Jahren gelähmte Frau, Tag und Nacht mit allem Notwendigen zu versorgen. Ihr Leben hatte seine volle Erfüllung gefunden - so lebte sie Nachfolge Jesu in einer Hingabe, wie sie kaum überboten werden kann.

Weil jede Berufung - mag sie aussehen, wie sie will - den Berufenen immer ganz fordert, wurde der Weg der Nachfolge bereits in der Frühzeit der Kirche eng mit der Verpflichtung auf die sogenannten "evangelischen Räte" verbunden: "Armut", "Keuschheit" und "Gehorsam". In der Reformationszeit kam es in den evangelischen Kirchen zur Ablehnung dieser Verpflichtungen, und viele Generationen evangelischer Christen hielten diese Versuche einer "Werkgerechtigkeit" für endgültig überwunden. Merkwürdigerweise wacht jedoch in unserer Zeit auch im evangelischen Raum in mancherlei Formen das Bedürfnis wieder auf, in kleinen Gemeinschaften nach den evangelischen Räten zu leben. Am weitesten bekannt und am stärksten in ihrer Wirkung ist sicher die Gemeinschaft der Brüder von Taizé. Das mag uns zu denken geben: Was sich gegen so viele Widerstände wieder Bahn bricht, muß in einer ganz tiefen Bedürfnisschicht des Menschen beheimatet sein, hier muß ein "Uranliegen" geistlichen Lebens ans Licht kommen. Deshalb ist es wichtig, heute neu über diese Fragen nachzudenken, wie es schon Dietrich Bonhoeffer in seinem Buch "Nachfolge" getan hat. Auch er sieht die enge Verbindung zwischen dem Ruf Jesu in seine Nachfolge und der Übernahme der Haltungen von "Armut", "Keuschheit" und Gehorsam". Dabei gibt er zu bedenken, daß man diese Haltungen sowohl in der wörtlich-verleiblichten als auch in einer vergeistigten Weise in seinem Leben verwirklichen kann. Jedoch sei es ein Irrtum zu meinen, daß die vergeistigte Form leichter zu leben sei als der wirkliche Vollzug. Das führt uns zur nächsten Überlegung:


2. Von Hindernissen, die einer Berufung entgegenstehen
Wenn es gewissermaßen "archetypische" Lebensweisen für Menschen gibt, die sich von Gott total beansprucht wissen, so schließt diese Tatsache zugleich ein, daß auch grundlegende Gefahren bestehen, die ein geistliches Leben in seiner Wurzel krank machen, ja sogar abtöten können. Solche "Ur"gefahren für jede geistliche Lebensverwirklichung liegen im unkontrollierten Streben des Menschen nach Besitz, nach hemmungsloser Befriedigung aller Bedürfnisse und im Streben nach Macht. Auch mancher Psychologe weist deutlich darauf hin, wie entscheidend wichtig es für jeden jungen, heranwachsenden Menschen ist, diese starken Kräfte unter seine Kontrolle zu bekommen. Nur dadurch wird er zum reifen, erwachsenen Menschen. Es geht hier also nicht nur um eine Frage des geistlichen Lebens, sondern um eine Frage gesunden menschlichen Lebens schlechthin.

Dazu legt sich für uns noch ein anderer Blickpunkt nahe: Die Sorge um das Fortbestehen der Menschheit läßt uns heute neu begreifen, welche Gefahr es in sich birgt, wenn ein Teil dieser Menschheit danach strebt, zu immer größerem Reichtum zu gelangen, alle nur möglichen Bedürfnisse immer vollkommener zu befriedigen und durch immer mehr Machtmittel "den Frieden zu sichern". Die frühen Wüstenväter würden wahrscheinlich auch hier in ihrer symbolisch-bildhaften Sprache von "Dämonen" reden, die durch Gedanken und Bedürfnisse auf den Menschen einwirken und ihn letztlich vernichten wollen (vgl. dazu das über Dämonen Gesagte). Unsere Aufgabe ist es, die Herrschaft dieser "Mächte" zu durchbrechen, und jeder einzelne muß das an seiner Stelle tun. In dieser Blickrichtung kann ein Leben, das sich bewußt um "Armut, Keuschheit und Gehorsam" bemüht, wie ein Sauerteig sein, der nach und nach auch andere Lebensbereiche durchdringt. So hat der Ruf in die Nachfolge Jesu Christi nicht nur eine persönliche, auch nicht nur eine kirchliche, sondern darüber hinaus eine gesellschaftliche Dimension, die nicht übersehen werden darf.

Um jedes Mißverständnis auszuschließen, muß an dieser Stelle deutlich gesagt werden: Es geht nicht darum, jeden Besitz zu verneinen, Ehe und Sexualität zu verteufeln und auf jede Position, die mit Einfluß verbunden ist, zu verzichten. Es geht allein darum, das Streben nach Besitz, nach Bedürfnisbefriedigung und nach Macht, das in jedem Menschen steckt, in rechte Bahnen zu lenken, um es zu beherrschen, anstatt sich davon beherrschen zu lassen. Daß dies überhaupt möglich ist, dafür setzen die Menschen ein Zeichen, die in der Übernahme der "evangelischen Räte" freiwillig auf Besitz, auf Ehe und auf Eigenbestimmung in ihrem Leben verzichten - und die damit nicht "auf Sparflamme" leben, sondern Zugang finden zu einem "Leben in Überfülle", wie es Jesus den Seinen verspricht (Joh 10,10).

Aber trotz aller gesellschaftlichen Relevanz bleibt das wesentliche Ziel dieser Verhaltensweisen ein geistlich-personales: Jedes Streben nach Besitz, Genuß und Macht kann eine Gewalt über den Menschen gewinnen, die ihn innerlich unfrei macht. Die Wüstenväter würden hier von "Dämonen" sprechen (s. die dortigen Ausführungen ). Nur wenn ich diesen Gefahren in ihrer Wurzel wehre - und das geschieht am eindeutigsten in der bewußten und freien Übernahme der gegensätzlichen Verhaltensweisen -, werde ich innerlich frei für die Nachfolge Jesu. Dabei dürfen wir nun wiederum diese althergebrachten Formen nicht absolut setzen. Sie sind letzten Endes Symbole und damit Hinweise auf etwas anderes, Tieferes: Jede innere Gebundenheit an etwas, das nicht Gott selbst ist, übt eine Macht auf mich aus, deren ich mir selten selbst bewußt bin. Hier liegen entscheidende innere Hemmnisse, die den Menschen oft hindern, den Ruf in die Nachfolge Jesu zu hören, wenn er an ihn ergeht. Deshalb ist für Ignatius die "Indifferenz" des Menschen, seine gleichmütige Gelassenheit allen vorläufigen Werten gegenüber, die wichtigste Vorbereitung, um den Ruf Christi vernehmen zu können.

Wer diesen Ruf in seinem Leben gehört und sich darauf eingelassen hat, wird in dieser oder jener Weise irgendwann einmal selbst spüren, wie solch ein Leben in der Nachfolge Christi dem eigensüchtigen Streben nach Besitz, nach egoistischer Bedürfnisbefriedigung und nach Macht keinen Raum mehr läßt. Diese Grunderfahrungen sind nie endgültig überwunden, sondern melden sich immer neu zu Wort. Wer sein geistliches Leben nicht halb, sondern ganz leben will, muß wachsam sein und bleiben gegenüber diesen Bedrohungen aus dem eigenen Inneren. Für solch ein Leben in der Nachfolge Jesu muß ich mich irgendwann einmal bewußt entscheiden - in einer Grundentscheidung, die die Gesamtrichtung meines Daseins bestimmt, und in den vielen kleinen und kleinsten Entscheidungen des Alltags, die diese Grundentscheidung verwirklichen, entfalten und vertiefen. Das führt uns zur letzten Überlegung im Blick auf die vor uns liegende Übungswoche:


3. Von christlicher Entscheidungsfähigkeit
Ignatius stellt die Überlegungen über eine rechte "Wahl" an diese Stelle des geistlichen Weges. Die letzten zwei Hauptteile mußten vorausgehen: lebendige Erfahrung der unbegreiflichen Liebe Gottes, aber auch das nüchterne Wissen um meine eigenen Gefährdungen und Dunkelheiten. Gott kennt sie besser als ich selbst; und dennoch bilden sie für ihn kein Hindernis, mich in seinen Dienst zu berufen. Im Gegenteil, gerade die Erfahrung, von Gott trotz meiner Sünde bejaht zu sein, wurde für einige der ganz großen Liebenden in der Kirche zum Sprungbrett, das sie mitten in den Abgrund der göttlichen Liebe hinein springen ließ. Ich erinnere nur an Paulus, an Augustinus oder an Luther. Als Sünder geliebt und angenommen zu sein machte ihnen die Entscheidung leicht, ihr Leben nun ganz in den Dienst dieser Entscheidung zu stellen. In anderen Christen wächst solch eine Entscheidung langsam und allmählich, unter Einbeziehung aller menschlichen Voraussetzungen, die ein jeder persönlich mitbringt. Was ist zu verschiedenartigen Weisen solcher Entscheidungen zu sagen?
- Wer sich um ein geistliches Leben bemüht, kann Entscheidungen, mögen sie tief und einschneidend oder ganz alltäglich sein, nicht mehr "autonom" treffen. Willi Lambert kann davon sprechen, daß ein Christ jede Entscheidung gewissermaßen "mit zwei Augen" treffen müsse: Während er mit einem Auge auf Jesus schaut, auf sein Leben, sein Tun, seine innere Motivation, schaut er mit dem anderen Auge auf sein konkretes Leben mit seinen Möglichkeiten. Ignatius bietet für die Zeit der "Wahl" keine eigenen Wahlbetrachtungen an. Die persönliche Lebensentscheidung soll gerade im Wegschauen von mir selbst und im Schauen auf Jesus Christus erfolgen. In der Periode der Wahl betrachtet der Übende immer neu das Leben und das Tun Jesu Christi. In dieser Weise werden wichtige, wesentliche Lebensentscheidungen im Normalfall "wachsen" und "reifen" und nicht in einem Schnellverfahren erzwungen werden - es sei denn, Gott fordere eine Entscheidung so unmittelbar und so eindeutig, daß jedes Zögern ein Mich-Verweigern wäre.
- Ganz wichtig ist es, keine Entscheidung zu treffen, die sachlich-nüchterne Überlegungen einfach ausschaltet. In Zeiten innerer Hochstimmung besteht die Gefahr, mich auf ein Wagnis des Glaubens einzulassen, das im Widerspruch zu allen nüchternen Überlegungen steht und das Gott in keiner Weise von mir erwartet. Gewiß wird es im christlichen Lebensvollzug auch Situationen geben, in denen Gott von mir den "Sprung aus dem Boot" erbittet und erhofft. Aber wehe dem, der springen würde, ohne dazu gerufen zu sein. Petrus bittet den Herrn: "Wenn du es bist, so befiehl, daß ich auf dem Wasser zu dir komme" (Mt 14,28). Und erst, als Jesus sein "Komm!" sagt, darf Petrus alle Sicherheiten zurücklassen und dabei erfahren, daß das "Wasser trägt", solange er auf den Herrn schaut und nicht auf den Wind.
Doch auch Zeiten eines geistlichen Tiefs bieten keine guten Voraussetzungen für eine richtige Wahl-Entscheidung. Ignatius verbietet sogar, in solchen Zeiten endgültige, unwiderrufliche Entscheidungen zu treffen. Er weiß aus eigener schmerzhafter Erfahrung, daß in solcher Situation die Dunkelheiten so tief sein können, daß sie den Blick auf den Willen Gottes verhindern.
- Als hilfreiche Methode für eine sachgemäße Entscheidung schlägt Ignatius vor, daß derjenige, der die Wahl zwischen zwei Wegen hat, sich nacheinander in beide Möglichkeiten hineinversetzt. Meditierend solle er beide möglichen Wege schon einmal versuchsweise begehen - und dabei sehr wachsam seine inneren Gefühle beobachten. Wenn er danach diese Gefühle vergleicht, können sie ihm wertvolle Hinweise geben für den Weg, der für ihn der richtige (oder bessere) ist. Denn für denjenigen, der sich ernsthaft um ein Leben in der Nachfolge Christi bemüht, wird der Weg, bei dem er innerlich größeren Frieden und tiefere Freude verspürt, mit großer Wahrscheinlichkeit der bessere Weg sein. Was ihn dagegen innerlich beunruhigt und in Verwirrung versetzt, deutet darauf hin, daß hier der "diabolos", der Durcheinanderwerfer, seine Hände im Spiel hat. Allerdings - das muß ich persönlich aus eigener Erfahrung sagen - gibt diese Methode gute Hinweise, aber keine letzte Sicherheit. Entscheidung ist und bleibt immer ein Wagnis. Und häufig wird es erst nach einer wirklich vollzogenen Entscheidung ganz deutlich, ob sie dem Willen Gottes für mein Leben entsprach oder nicht. Und in anderen Fällen mutet Gott mir zu, mit einer vollzogenen Entscheidung zu leben, von der ich über Jahre hin nicht sicher bin, ob sie richtig war. Doch gibt es bei vielen Entscheidungen des Lebens nicht nur ein "richtig" oder "falsch", sondern oft gibt es auch zwei mögliche Wege, die beide zum Ziel führen. Sehr lange hat es mich beschäftigt, daß der Apostel Paulus im Philipperbrief nicht nur zwischen "besser" und "schlechter" unterscheidet, sondern dieser Kategorie eine andere noch überordnet: "nötiger" und "weniger nötig" (1,23f).
- Als eine letzte Möglichkeit für eine gute Wahl nennt Ignatius einen Weg, der sehr nüchtern anmutet: Wer zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden hat, möge sich aufschreiben, was jeweils für bzw. gegen die zu fällende Entscheidung steht, und dann das Für und Wider sachlich gegeneinander abwägen. Dazu solle er auch die Hilfe seines geistlichen Begleiters in Anspruch nehmen und ohne diesen keine wichtige Entscheidung fällen. Denn oft sieht ein Außenstehender klarer als ich selbst, was für mich besser oder schlechter ist, oder besser: was mein geistliches Leben mehr fördert oder für dieses ein Hindernis bildet.
Was bedeutet das alles im Blick auf eine mögliche Berufung zu einem "geistlichen Leben", vielleicht mitten in "der Welt", mitten im alltäglichen Dasein? Wer in seinem Leben bereits deutlich einen Ruf zur Nachfolge vernommen und angenommen hat, wird in dieser Woche seine Entscheidung prüfen und vertiefen können. Wer sein Leben bisher noch nicht unter diesem Vorzeichen sehen konnte, den mögen die Übungen dieser Woche aufhorchen lassen, ob etwa ein solcher Ruf - in welcher Weise auch immer - vielleicht aus sein Leben meinen könnte. Oder er mag sich fragen, ob solch ein Ruf ihn möglicherweise schon einmal irgendwie oder irgendwann ganz leise, fast unbemerkt angerührt haben mag, ohne daß er ihn beachtet hat.
 
Warnung: Bitte bleiben Sie innerlich wahrhaftig - sich selbst und auch Gott gegenüber. Jeder Ruf, jede Berufung ist freie Gnade Gottes - und zugleich Aufgabe, die alle körperlichen Kräfte einfordert: "Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen", sagt Jesus (Lk. 12,48). Wer immer berufen ist, ist zum Dienst berufen. Deshalb mag es wichtig sein, daran zu erinnern, daß nach kirchlicher Überlieferung für eine lebensentscheidende Berufung jeweils drei Komponenten zusammenkommen sollten: erstens, das eigene gewisse Gefühl, berufen zu sein, und der Wunsch, dieser Berufung zu entsprechen; zweitens, die äußeren Gegebenheiten, die eine etwa erforderliche Lebensveränderung möglich machen; drittens, eine Bestätigung der Kirche, in welcher Form sie auch jeweils gegeben werden mag.

Entscheidung für Gott - in einer großen Lebensentscheidung oder in kleinen Entscheidungen des alltäglichen Lebens - macht niemals ärmer, sie führt den Menschen nicht am eigentlichen Leben vorbei, sondern sie kann ihn öffnen für die ganze Fülle, die Gott verströmen möchte. Das kann niemand als These, als unumstößlichen "Lehrsatz" weitergeben, sondern allein als persönliches Zeugnis. Wahr wird es für den, der es wagt, sich selbst darauf einzulassen.


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