Johannes 1,  29 - 34
Thema:

Lamm Gottes,
Träger unserer Schuld

Bibeltext:  Joh. 1, 29 - 35
V.29 Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.
V.30 Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.
1:31 Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekannt zu machen.
V.32 Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.
V.33 Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.
V.34 Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.


Meditative Besinnung:

Zum Meditieren bietet uns unser Textabschnitt drei Bilder an:
a) Das Bild der Wüste.
Es bildet den tragenden Hintergrund. Johannes hat in der Wüste sein bisheriges Leben verbracht - und das muss ihn geprägt haben. Wer die Wüste schon einmal kurz erlebt hat, mag sich vorstellen, wie die Wüste das Leben eines Menschen prägen kann. Wir sehen Johannes als einen Mann vor uns, welcher gewissermaßen "durch die Dinge hindurch" hört und sieht. Das mag er in der Einsamkeit gelernt und geübt haben - und so vermag er, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, davon zu sprechen, dass der, der ihm die Aufgabe gab, mit Wasser zu taufen, ihm auch sagen konnte, an welchem Zeichen er den Größeren erkennen sollte. Und wie er gehört hatte, so "sah" er auch: Er sieht Jesus - aber er sieht in ihm mehr als andere Menschen. Er sieht in ihm das "Lamm Gottes".

Wenn wir vor dem Abendmahl singen: "Christe, du Lamm Gottes", dann fragt uns dieser Text, ob wir auch solche geöffneten Augen haben, in der unscheinbaren weißen Hostie das "Lamm Gottes" zu "sehen" - mit den Augen unseres Herzens. Vielleicht ist es gut, einmal in solchem Schauen eine zeitlang zu verweilen, bis es geschehen mag, dass auch wir in der Hostie Gott selbst zu "sehen" vermögen. Und vielleicht erinnern wir uns selbst an Zeiten der "Wüste" in unserem Leben, als wir neu zu sehen und zu hören lernten. Denn immer ist "Wüste" ein Ort, an dem die Grenzen durchsichtig werden - die Grenzen dessen, was wir mit unseren normalen Sinnen begreifen und erfassen können. Auch Zeiten der Wüste, die wohl ein jeder in seinem eigenen Leben durchzustehen hat.

Nur so, aus einer Wüstenerfahrung her, war dieses Zeugnis des Johannes möglich: "Dieser ist..."... "Damit er offenbar würde, deshalb bin ich gekommen"... nämlich Zeugnis zu geben von dem, was er gehört und gesehen hat. Das ist der Auftrag seines Lebens.

b) Das Bild des Gotteslammes.
Und noch etwas anderes mag Johannes in der Wüste erfahren haben: Wie schwer wiegt die menschliche Sünde! Als die Menschen zu ihm strömten und ihm ihre Sünden bekannten, mag er vielleicht manches Mal gedacht haben: "Ich kann das nicht ertragen, ich kann die Sünde nicht tragen!" Wer aber kann den die "Sünde der Welt" überhaupt tragen? Ich könnte mir vorstellen, wenn ich mich in Johannes hineinspüre, dass ihn diese Frage umgetrieben haben mag. Und dass er in der Begegnung mit Jesus wie in einer Vision diese Frage beantwortet bekam: Er ist´s - der allein aus dieser Not helfen kann. Und was den Emmausjüngern nach Ostern wie in einer Art Privatunterricht von Jesus aufgezeigt wurde, das mag Johannes hier schon ahnungshaft geschaut haben: Dieser ist das Lamm, das alle Schuld sühnen wird - dieser ist das Lamm, welches wahrhaft von der Strafe befreit...durch seinen Leidensweg.

Es ist ja ein unauslotbares Geheimnis, dem wir durch Nachdenken nicht näher kommen, sondern im stillen, anbetenden Verweilen vor dem Kreuz: In irgendeiner geheimnisvollen Weisheit, die unser Erkennen übersteigt, hat Gott diesen Weg gewählt, um mit der Schuld, der Sünde und dem Leid dieser Welt umzugehen. Er wird Mensch, der nicht machtvoll alle Sünde zu vernichten sucht - denn dieser Weg birgt den Keim zu immer neuer Schuld und neuen Schmerzen in sich. Christus aber geht mitten hinein in das tiefste Dunkel der Welt - er trägt es und erträgt es. Und damit treibt er einen Keil hinein in die bislang unlösliche Verwobenheit von Schuld und Leid... Nur ahnungshaft können wir spüren, dass hier ein neuer Weg beschritten wird, der zu wahrer Befreiung führen könnte, wenn das Zeugnis des Johannes stimmen würde. Aber ein Zeugnis kann ich nicht beweisen, ich kann mich ihm nur glaubend öffnen.

Schauen wir auf uns selbst, wie wir mit der Erfahrung umgehen, dass wir alle in Schuld und Leid verstrickt sind, solange wir als Menschen auf Erden leben:
In einem ersten Stadium meinte wohl jeder von uns, wenn ihm ein Unrecht zugefügt wurde: der andere / die anderen sind schuld! In einem zweiten Stadium mag mir meine eigene Verantwortung bewusst werden: Dann meine ich: Ich selbst muss gerade stehen für meine Fehler. Aber dann wird mancher ein drittes Stadium erleben: Corona Bamberg spricht von dem Moment, in dem mir mein "inneres Inferno" plötzlich bewusst wird. Dann ist der Augenblick, in dem ein Dichter Ende des letzten Weltkrieges schrieb: "...denn wer die Schrecken des Gerichtes nicht als der Schuldigste beweint, dem blieb dein Stern noch unenthüllt..." (Reinhold Schneider) Eines Tages wird dem Menschen klar: meine Schuld ist größer, als ich sie sühnen kann. Und dann braucht er nicht zu verzweifeln oder zu resignieren, sondern er darf auf den schauen, der nicht mit Wasser, sondern mit den Heiligen Geist tauft - auf das Lamm, das die Sünde der Welt trägt...

c) Das Bild von der Taufe mit dem Heiligen Geist.
Niemand weiß es so deutlich wie Johannes selbst: Er ist nicht Christus, seine Taufe ist nicht die Geisttaufe Jesu. In dieser Geisttaufe ist mehr als "nur" Sündenvergebung - hier ist etwas schlechthin Neues. Johannes hat guten Grund, über sich hinaus auf den Größeren hinzuweisen - mit einem Finger, den Matthias Grünewald in seinem Isenheimer Altarbild so übergroß gemalt hat.

Wer sich ein wenig mit anderen Religionen befasst, kann es erleben, dass er eines Tages mit einer tiefen Freude erkennt: Keine andere Religion bietet eine solche Hilfe an für die Schulderfahrung des Menschen wie unser christlicher Glaube. Auch das Christentum lässt das Geheimnis stehen - aber ein Mysterium, auf welches das Bild vom Gotteslamm hinweist...

Was meint das konkret? Die Dinge bleiben, was und wie sie sind - aber wer sie in der Liebe, die der Heilige Geist in uns entzündet, von Gott annimmt, dem wird sogar die "Wüste" - auch die kleinen und großen Wüstenstrecken seines Lebens - zum Ort der Gottesbegegnung. Ja, dann ist davon auch die Schulderfahrung nicht ausgeschlossen, im Gegenteil - sie kann mich gerade in einer besonders Weise an den binden, der als "Lamm Gottes" auch meine Sünde trägt und mir dadurch ein neues befreites Leben vermittelt. So kann schlechthin alles, was mir geschieht, Mittel werden, durch das mich die Liebe Gottes erreicht. Gerade durch scheinbare Hindernisse hindurch flutet die Liebe Gottes - der Heilige Geist - in mein Leben hinein, das er sich bereits in meiner Taufe dazu bereitet hat.


Liturgische Einbindung:
Katholische Predigtreihe: Jahreskreis A 2. Sonntag im Jahreskreis
Evangelische Predigtreihe II: 1. Sonntag nach Epipahnias
Exegetisch-spirituelle Aspekte
Veröffentlichung

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