2:1 Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen,
2:2 für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können.
2:3 Das ist recht und gefällt Gott, unserem Retter;
2:4 er will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.
2:5 Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus,
2:6 der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle
Manchmal gibt es Augenblicke unseres Lebens, in denen wie traumhaft ein Gedanke aufleuchtet, der eine neue Sicht ermöglicht. So kurz solche Augenblicke auch sein mögen, - sie können einen neuen Wegabschnitt eröffnen. Solche "Träume", solche ahnungshaften neuen Sichtmöglichkeiten könnte dieser Text in uns aufbrechen lassen: Was könnte aus meinem Leben werden, wenn bei mir das Beten wirklich die erste Stelle einnähme? "Allem andern voran", ermahnt unser Textabschnitt zum Gebet. Es tut gut, wenn menschliches Leben nicht mehr richtungslos umhertreibt, sondern zu einer klaren inneren Struktur findet: Was ist mir das Wichtigste in meinem Leben und was kommt dann erst an zweiter oder gar an dritter Stelle? Welche Kräfte könnten sich in mir entfalten, wenn sich mir ein lohnendes Ziel auftäte, um dessentwillen es sich zu leben lohnt! Vielleicht erinnern wir uns daran, welche Lebensenergien in uns schon einmal freigesetzt wurden, als wir etwas Schönes vorhatten, für das wir manche Mühe auf uns nahmen!
Unsere Frage könnte auch anders lauten: Wie würde wohl mein Leben aussehen, "wenn Gott wirklich Gott wäre" - wenn das alles wirklich stimmte, was ich einmal im kirchlichen Unterricht gelernt habe - was die Bibel sagt?... Wenn Gott wirklicher wäre als alles, was ich sichtbar und erkennbar um mich her erlebe?... Sicher wäre es gut, sich diesem Gedanken einmal eine zeitlang auszusetzen, ohne zu denken, mich beträfe das nicht!Weiter: Und wenn ich nun diesem Gott der Liebe, der sich nichts anderes wünscht als das Heil dieser unserer armen, gefährdeten Welt - wenn ich diesem Gott in meinem Gebet nahe kommen, ihn wahrhaft berühren könnte?... Wenn das geschehen könnte - auch dann, wenn mein Beten ganz stammelnd, ganz unbeholfen wäre - wenn es vielleicht aus nichts anderem bestünde als auch einer unbestimmten Sehnsucht nach "ich weiß nicht was", wie ein bedeutender spanischer Mystiker (Johannes vom Kreuz) vor 400 Jahren sagte? ...
Wenn wir vom "Traum" sprechen, von traumhaften Möglichkeiten, wacht sofort die Frage in uns auf: Träumen wir da nicht einen zwar schönen, aber doch unwirklichen Traum?... Menschliche Träume brauchen nicht unwirklich zu sein! Dass sie sich verwirklichen können, haben wir in unserer Zeit ganz neu erfahren dürfen! Besonders dann, wenn der "Traum" eines einzelnen von vielen mitgeträumt wurde!Könnten wir nicht einmal versuchen, mit diesem "Wenn" zu leben, so etwa wie Wissenschaftler mit einer bislang unbewiesenen Hypothese zu arbeiten wagen, um dann zu entdecken, dass sich ihr "Traum" als ein neuer Schlüssel zur Wirklichkeit erweist? Ohne solches Wagnis von Wissenschaftlern hätten wir heute vielleicht noch immer Tuberkulose und Kindbettfieber als unheilbare Krankheiten.
Wenn ich es also einfach einmal zu träumen wage, dass meine tiefe Sehnsucht nach Liebe, meine tiefe Sehnsucht nach einer heilen Welt nicht ins Leere geht, sondern ein Zeichen ist für die Wahrheit dieses Gottes der Liebe, der das Heil aller Menschen will? Und ein Zeichen dafür, dass ich mit diesem Gott in meinem Gebet wahrhaft Verbindung aufnehmen kann? Dass es darin zu einer Begegnung der Liebe zwischen diesem heiligen Gott und mir kleinem Menschen kommen kann? Wenn das so wäre - wüsste ich dann nicht in meinem eigenen tiefsten Inneren, dass Beten nicht "Nebensache" bleiben dürfte, sondern wirklich "allem anderen voran" gehen müsste? ...
Ich kenne Menschen, die so leben: Die ersten Stunden eines jeden Tages gehören dem Gebet - gehören der Begegnung mit Gott. Wer einmal in einem Benediktinerkloster zu Gast sein darf, erlebt es hautnah: Menschen, die Gott wirklich Gott sein lassen, die ihm "allem anderen voran" die ersten Stunden eines jeden Tages schenken, werden dadurch nicht blind, sondern sehr sensibel und hellhörig für die Nöte aller Menschen, die ihnen begegnen. Bei solchen Menschen kann ich mich auf- und angenommen fühlen, kann ich zu mir selbst finden, darf ich wirklich ich selbst sein. Wer für andere betet, wird auch in seinem Leben für andere da sein - da gibt es keine Trennung zwischen Gebet und Dienst.Damit berühren wir schon den zweiten "Traum", den uns unser Textabschnitt träumen lässt: Wenn das stimmt, dass Gott wirklich das Heil, den Frieden, die Gesundung dieser Welt will - heute und hier - und wenn sich dieser Heilswille Gottes durch unser Beten hindurch verwirklicht - welche bislang ungeahnte Würde bekäme dann unser ganzes Leben! Aber welche Verantwortung überträgt uns Gott dann auch! Dann gebraucht Gott unser Gebet "für alle Regierenden", damit wir das Weltgeschehen mitbestimmen - in seinem Sinne und nach seinem Willen! Und in dem Wort "gebrauchen" steckt ein anderes Wort: Gott braucht uns dazu - diese unsere aufs höchste gefährdete Welt zu erretten! "Wenn das stimmte" - dann hinge das Schicksal dieser Welt nicht in erster Linie ab von den klugen Gedanken der Politiker, sondern auch diese rettenden Gedanken hätten ihre verborgene Wurzel in unseren Gebeten!
Seit den Anfängen der Kirche wissen die Christen, welch hohe Aufgabe die Fürbitte hat. Aber wie kann nun konkret solche Fürbitte aussehen? Die "Väter" hatten da klare Antworten bereit: Beginne dein Gebet immer damit, dass du Gott für einen Menschen dankst. Dann bekenne deine eigene Schuld - und danach wirst du gut für diesen Menschen beten können. Den Wert solcher Anweisungen erkennt man wohl erst dann, wenn man danach handelt: Lasst uns in dieser Weise beten für alle Menschen, besonders für alle, welche Regierungsverantwortung tragen - aus welchem Lager sie auch immer kommen mögen.Wagen wir es doch, diesen Traum zu träumen, zu leben, als ob es so sei - um angeldhaft zu erfahren, dass es wirklich so ist!
Was bedeutete es uns ehemaligen DDR-Bewohnern, wenn sich aus irgendeinem Grunde die Grenzen für wenige Tage öffneten und uns eine Reise ermöglichten!
Und wem dieses Beispiel zu ferne liegt, der erinnere sich an Mutter Teresa von Kalkutta, die ihre Kraft zum Dienst an den Ärmsten der Armen mit ihren Schwestern daraus schöpft, dass jeder Tag mit mehreren Stunden beginnt, die sie Gott schenken, ehe sie sich den Menschen widmen.
Katholische Predigtreihe: Jahreskreis C - 25. Sonntag im JahreskreisExegetische Anmerkungen
Evangelische Predigtreihe II: Sonntag Rogate