Jedes Bild hat seine Grenzen, so auch das uns begleitende Bild von der Bergwanderung. Hier wird es ergänzt durch ein anderes Bild - das Bild des Wachsens und des Reifens einer Pflanze oder einer Frucht. Die Möglichkeiten, die Gott in einen jeden von uns mit seinem Blick der Liebe hineingesehen hat - mit seinem Blick, der wirklich werden lässt, was er sieht -, sie wollen sich verwirklichen. Wie man sich vorstellen kann, dass eine Frucht in sich die "Sehnsucht" trägt, zu wachsen und zur Reife zu kommen, so drängt ein "Etwas" in unserer Seele zum Wachsen und zum Reifen. Ohne diese innere Kraft, die ständig zum Guten strebt (vgl. Woche 3, Tag 3), würden wir unseren Weg mit seinen Mühen bald aufgeben. Aber diese innere Kraft drängt uns über uns selbst hinaus, drängt uns über unsere eigenen Möglichkeiten hinaus auf ein Ziel zu, das wir mit unserer eigenen Anstrengung nie erreichen können: Wenn es irgendwo gilt, dann hier: Gott selbst muss vollenden, was wir begonnen haben.Damit eine Frucht wachsen und größer werden kann, braucht sie einen gewissen Freiraum für sich. Oft muss der Gärtner ihn erst verschaffen, indem er wilde Zweige verschneidet, die zudem noch wertvolle Lebenssäfte verbrauchen. Zum Reifen braucht die Frucht Sonnenwärme, die kann sie sich nicht selbst geben, der kann sie sich nur aussetzen. Wer als Mensch und als Christ reifen will, wer hineinwachsen will in das Bild, das Gott meinte, als er ihn unaustauschbar und einzigartig zu seinem Bilde schuf, der wagt es, zu beten: "Wie die Früchte des Feldes gedeihen unter Sonne, Wind und Wolken, lass auch uns reifen für deine Ernte." (s."Das Stundengebet")Wer in sich den Drang spürt, zu wachsen und zu reifen, der wird auch sein Ja dazu finden müssen, dass der "Winzer" immer wieder die unfruchtbaren Reben des Weinstockes herausschneidet - wie wir in Johannes 15 lesen. Erst dort kommt der tiefe Wunsch nach Selbstverwirklichung, nach Ganzheit, nach Individuation - oder wie wir es nennen wollen - wahrhaft an sein Ziel.