Woche 4:
Gelassenheit heißt:
Mich selbst loslassen,
um mich mehr und mehr dir zu überlassen -

Einführung in die vierte Übungswoche:
Überblick:

Schritt um Schritt Vergangenes loslassen und vorwärts gehen
Bedingungen, die echte Gelassenheit möglich machen


Schritt um Schritt Vergangenes loslassen und vorwärts gehen
Jeder Schritt, den ich gehe, verbindet zwei scheinbare Gegensätze zu einer unauflöslichen Einheit: Er bewegt mich gleichzeitig weg von etwas und hin zu etwas anderem. So ist auch Gelassenheit ein Weg, der sich aus einzelnen Schritten zusammensetzt. Sie ist für Meister Eckehart der lebenslange Weg, der "hin-zu-Gott" führt und "weg-von-mir". Das sind nicht zwei Bewegungen, sondern nur eine einzige - aus zwei Sichtweisen. Meister Eckehart verdeutlicht diese Bewegung an zwei Bildern: Das Bild des Steines gibt uns ein Beispiel dafür, wie im Menschen die innerste Neigung "hin-zu-Gott" unzerstörbar ist: "Für diese Lehre haben wir ein anschauliches Zeugnis am Steine: dessen äußeres Werk ist es, dass er niederfällt und auf der Erde aufliegt. Dieses Werk kann gehindert werden, und er fällt nicht jederzeit noch ohne Unterlaß. Ein anderes Werk (aber) ist dem Stein noch inniger: das ist die Neigung niederwärts, und dies ist ihm angeboren; das kann ihm weder Gott noch Kreatur noch irgendwer benehmen. Dies Werk wirkt der Stein ohne Unterlaß Tag und Nacht. Und wenn er tausend Jahre da oben läge, er würde nicht weniger noch mehr niederwärts neigen als am ersten Tage" (121,20ff).

Daneben begegnete uns schon das Bild des "Fünkleins",  welches unwiderstehlich vom "Himmel" angezogen wird, so dass es gar nicht anders kann, als nach oben zu streben. Meister Eckehart weist mit dem Funken in seiner bildhaften Weise auf das "Etwas" in der menschlichen Seele hin, das von Gott so magnetisch angezogen wird, dass es gar nicht anders kann, als von "der Erde" (das meint: von sich selbst) wegzustreben - zum "Himmel" hin - ohne daran zu denken, was für ein Schicksal es auf diesem Weg erwartet: "...denn es (das Fünklein) muß notgedrungen erlöschen in der Kälte der Luft; gleichviel will es die Liebe, die es zu seinem wahren, himmlischen Vater hat, bekunden" (117,1ff).

Auf den ersten Blick scheinen sich die beiden Bilder zu widersprechen: Sind nicht die Neigung "nach unten" (des Steines) und das Streben "nach oben" (des Fünkleins) unvereinbare Gegensätze? Sie sind es für unser Empfinden - nicht aber für das Denken eines Menschen, der sagen kann: "Die Höhe und die Tiefe sind eins". Wenn es darum geht, auf das "Etwas" im Menschen hinzuweisen, welches wegstrebt von sich selbst und zu Gott hinstrebt, dann ist dieses "Ziel" sowohl "oben" als auch "unten" - sowohl "außen" als auch "innen" in mir (vgl. dazu Woche 1. Tag 3) - denn in der Unendlichkeit Gottes verbinden sich alle Gegensätze zu einem unlöslichen Einen (vgl. Woche 2, Tag 3). Die innere Kraft der menschlichen Seele ist in der letztlich unwiderstehlichen "Schwerkraft Gottes" begründet - mag sie uns nun nach oben oder nach innen ziehen. Um nichts anderes geht es in der "Gelassenheit" als darum, dass der Mensch sich dieser Schwerkraft aussetzt und alle Hindernisse wegräumt, die ihn daran hindern, sich ihr zu überlassen.


Bedingungen, die echte Gelassenheit möglich machen
Doch es gibt nicht nur ein heilsames, sondern auch ein falsches "Sich - Überlassen" im geistlichen Leben. Das kommt aus einer gewissen Bequemlichkeit oder auch aus der Angst, eigene Verantwortung zu übernehmen. In der Geschichte der christlichen Spiritualität gibt es genügend Beispiele dafür: Der Mensch "überläßt" Gott die Verantwortung für sein Leben - oder auch einem anderen Menschen, welcher für ihn die Stelle Gottes vertritt. Und die große Gefahr ist, dass er dabei unmündig bleibt. In der geistlichen Literatur kann man dafür genügend Belege finden. Solchen Strömungen gegenüber - die es auch heute noch gibt - ist es wichtig, mir gerade auch als Christ meiner Eigenverantwortung für mein persönliches Leben und Schicksal voll bewußt zu werden. Ich vergesse kaum den Augenblick, als ich beim Lesen des Satzes "Ich darf die Verantwortung für mein Leben nicht einfach auf Gott abschieben" spürte, wie sich mein Rückgrat wie von selbst streckte und aufrichtete. So ließ mich dieser Gedanke "aufrechter" und "größer" werden!

Somit ist echte Gelassenheit etwas ganz anderes als ein Sich - Zurückziehen aus der eigenen Verantwortung. Wodurch aber unterscheidet sich diese echte Gelassenheit von Fehlformen? Ich möchte einige Dinge nennen, die mir wichtig erscheinen:

Deshalb wird Meister Eckehart nicht müde, uns immer wieder auf diese Voraussetzungen hinzuweisen. Er prägt den atemberaubenden Satz: "Du solltest dich Gott mit allem ganz ergeben, und dann kümmere dich nicht darum, was er mit dem Seinigen tue" (69,25f). Erst wo dieses Mich - Gott - Überlassen wenigstens ansatzweise da ist, kann ich "losgehen", kann ich Schritt um Schritt mein eigenes menschlichen Urteil, meinen eigenen "ego"- besetzten Willen (den ich erst gefunden haben muß!) loslassen und mich wirklich Gott überlassen; nur mit diesem Grund unter meinen Füßen sind mir die Schritte möglich, die mich auf Gott zu bewegen und mich damit von mir selbst wegführen.

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