"Ich komme mir vor wie ein Pferd, das ständig verschiedene Lasten an verschiedene Stellen zugleich befördern soll" - solche und ähnliche Bilder der Überlastung wurden bei einem Meditationskurs für Pfarrfrauen gefunden. Meister Eckehart sieht das, was wir als ständigen Streß und Überlastung durch äußere Anforderungen sehen, aus einer eigenen Sicht: Der Mensch nimmt sich zuviel vor, er will zuviel oder läßt sich von den Wünschen und Anforderungen anderer so bestimmen, dass er nicht mehr zu sich selbst kommt. Und was zu solchen Streßsituationen führt, ist, dass er seine innere Mitte und Einheit in sich verloren hat: "Der Mensch (will) bald eines, bald ein anderes;... Weil sie das Eine nicht besitzt, darum kommt die Seele nimmer zur Ruhe, bis alles Eins in Gott wird" (254,30f.35ff). In Gott fällt alles zusammen, was wir als unvereinbaren Gegensatz erfahren: Freude und Leid, Arbeit und Ruhe, Einsamkeit und Gemeinschaft - und vieles andere mehr. Alles hat seinen Ursprung in der Einheit Gottes und kann mich dahin zurückführen. So kann mir der Blick auf Gott, in dem alles Unterschiedene in einer tiefen und letzten Einheit zusammengefaßt ist, helfen, aus der Zerrissenheit und Zerstreuung immer mehr zur Einheit zu finden. Deshalb brauche ich nicht mehr alles zu tun oder zu haben, ich kann ein Ding, einen Weg wählen, und alles wird mich zu Gott führen! Das kann mich von aller Hektik befreien. Im Blick auf diese Einheit Gottes sagt Meister Eckehart: "Hier sind alle... Dinge Eines. Dies ist das Allerbeste, und ich habe mich darein vernarrt" (264,10ff).
"Es ist der Seele Seligkeit, dass Gott Eins ist."
Ich meditiere die Sonne mit ihren Strahlen - ein Bild, das schon Augustinus verwendete: Aus einer Mitte heraus strahlt sie aus nach allen Richtungen; je näher die Strahlen der Mitte sind, desto näher sind sie beieinander. Im Mittelpunkt sind sie ganz eins.
"Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein" - wörtlich übersetzt: "Der Herr ist eins" (Mk 12,29b).Dies wird von Jesus als das "höchste Gebot" bezeichnet und ist die Grundlage dafür, dass sich dieser Gott, der eins ist, auch unser ganzes, ungeteiltes Herz wünscht.
- Mein Gott, der du am Ende jedes guten Weges auf mich wartest -
Ich lasse mich wieder von dem Wort "Du" oder einem anderen von mir gewählten Wort an die Schwelle meines inneren Geheimnisses führen, wo ich selbst noch Einheit bin, an die Quelle allen Denkens, Fühlens und Wollens... Was mir dabei an Bildern oder Gedanken durch den Kopf geht, schaue ich an und verfolge es bis in seine Wurzeln, die in Gott liegen...
"Gott hat alle Fülle als Eins... und es ist der Seele Seligkeit, dass Gott Eins ist... Gott tut so, als sei er (nur) deshalb Eins, damit er der Seele gefalle, und als schmücke er sich zu dem Ende, dass er die Seele nur in sich vernarrt mache" (254,29ff).