Liebe will sich nicht nur verströmen, sie strebt letztlich danach, mit dem Geliebten zu verschmelzen, "eins" zu werden. Das "Einswerden" in der Liebe umkreist das hohepriesterliche Gebet Jesu (Joh 17) in meditativer Weise. Dort geht es um das Einssein des Vaters mit dem Sohn, um das Einswerden des Sohnes mit den Seinen und um das Einswerden der Seinen untereinander. Meister Eckehart wird nicht müde, in immer neuen Bildern von dem Gott zu sprechen, dessen tiefer Wunsch das Einswerden mit dem Menschen ist. Denn nur in solchem "Einswerden" können wir das empfangen, was Gott in sich hat und uns schenken möchte! Dabei grenzt er sich klar ab von einem möglichen Mißverständnis solchen Einswerdens: "Ein heidnischer Meister setzt die Kreaturen Gott gleich ... `Gleich', das ist böse und trügerisch. Mache ich mich einem Menschen gleich und finde ich einen Menschen, der mir gleich ist, so gebärdet sich dieser Mensch, als ob er ich sei, und dabei ist er's nicht und trügt. Manches Ding gleicht dem Golde; es lügt und ist nicht Gold" (219,26ff). Mit dem Einssein ist also genau nicht gemeint ein "Seinwollen wie Gott". Meister Eckehart hat ein ganz eigenes Verständnis dieses Einsseins und macht es an vielerlei Bildern deutlich. (Weitere Bilder in K.Johne, "Ewigkeit", S. 56-60.) Ihnen allen ist gemeinsam das Einssein der aktiven Seite Gottes mit der passiven Seite des Menschen, die man im Vollzug nicht trennen kann: "Das Wirken und das Werden aber ist ein. Wenn der Zimmermann nicht wirkt, wird auch das Haus nicht. Wo die Axt ruht, ruht auch das Werden. Gott und ich, wir sind eins in solchem Wirken; er wirkt, und ich werde" (186,36ff).
"Er prägt mich, und ich lasse mich prägen."
"Drückt man ein Siegel in... Wachs, so entsteht (darauf) ein Bild. Wird (aber) das Siegel völlig durch das Wachs durchgedrückt, so dass kein Wachs mehr übrigbleibt, das nicht vom Siegel durchprägt wäre, so ist das Wachs unterschiedslos eins mit dem Siegel. Ebenso wird die Seele gänzlich mit Gott... vereint, wenn sie ihn in rechter Erkenntnis berührt" (295,31ff).
"Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir..." (Joh 17,22f).Der Apostel Paulus und andere Briefe gebrauchen das Bild des Siegels (griech. "typos") - oft übersetzt als "Vorbild" - in dem Sinne, dass die Christen, von Christus geprägt, nun prägend auf andere wirken können und sollen (z.B. Phil 3,17).
- Mein Gott, der du wirkst, damit ich werde -
"Du wirkst" - "ich werde"...
"Es ist dasselbe, dass er mich erkennen macht und dass ich erkenne; und darum ist sein Erkennen mein, so wie es ein und dasselbe ist: im Meister, dass er lehrt, und im Jünger, dass er gelehrt wird" (319,21ff)."Das Rückstrahlen des Spiegels in der Sonne ist in der Sonne (selbst) Sonne, und doch ist er (= der Spiegel) das, was er ist." (s. 3.2.).