Wir bauen auf Gedanken Meister Eckeharts auf, die wir schon kennenlernten - und oft enthüllen sie erst in ihrer Weiterführung und Konkretisierung ihre ganze Dynamik: "Gott gibt nichts so gern wie große Gaben" (s. 2.7.). Gaben aber sind für ihn alles, was ist, was auf mich konkret zukommt. Wenn das stimmt, so gibt mir Gott als Gaben nicht nur äußere Dinge, sondern vor diesen äußeren Gegebenheiten vertraut er mich selbst mir an als seine Gabe, die mir ganz unmittelbar persönlich gilt, die auf mich "zugeschnitten ist", wie ein Schneider einem bestimmten Menschen einen Rock zuschneidet und dafür Maß nimmt. So bin ich mir von Gott als Gabe gegeben - und zwar mit meinem Charakter, mit meinen Möglichkeiten und Grenzen, mit meinem Schicksal, mit meinen Erfahrungen, mit meinen durchlittenen Wunden: So bin ich einmalig und einzigartig, unersetzbar vor Gott und für Gott!Wenn es nun weiter stimmt, dass Gott in jeder Gabe, die er gibt, zuerst sich selbst gibt (s. S. 58), so finde ich - wenn immer ich mich selbst als Gabe Gottes annehme - Gott in mir vor: Ich finde ihn in meinem konkreten Charakter, in meinem konkreten Schicksal und in allem, was mein Leben heute und hier ausmacht... Ich finde ihn vor als den, der mich liebt und der mich gleichzeitig in allem und durch alles herausfordert, mein mir zugemessenes Leben randvoll auszufüllen... Das kann mir kein anderer abnehmen!
"Gott gibt einem jeglichen das Allerbeste nach dem, wie er erkennt, dass es das ihm Gemäßeste ist."
"Soll man jemand einen Rock zuschneiden, so muß man ihn nach seinem Maß machen; und der dem einen paßte, der paßte dem andern gar nicht."
"Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen" (Röm 8,28).
- Mein Gott, dessen Liebe ich in allem, was mir begegnet, ergreifen möchte -
"Er gibt einem jeden nach dem, was sein Bestes ist und für ihn paßt. Soll man jemand einen Rock zuschneiden, so muß man ihn nach seinem Maß machen; und der dem einen paßte, der paßte dem andern gar nicht. Man nimmt einem jeglichen so Maß, wie's ihm paßt. So auch gibt Gott einem jeglichen das Allerbeste nach dem, wie er erkennt, dass es das ihm Gemäßeste ist. Fürwahr, wer ihm darin ganz vertraut, der empfängt und besitzt im Geringsten ebensoviel wie im Allergrößten" (98,12ff).In den folgenden Worten wird deutlich, dass für Meister Eckehart Gott wahrhaft wichtiger ist, als er es sich selbst ist: "Wenn anders es recht um mich steht... wahrlich, so sollte es mir am Willen Gottes genügen: In allem, wo Gott wirken oder geben wollte, sollte mir sein Wille so lieb und wert sein, dass mir das nicht weniger bedeutete, als wenn er mir diese Gabe gäbe oder dies in mir wirkte. So wären alle Gaben und alle Werke Gottes mein, und mögen dann alle Kreaturen ihr Bestes oder ihr Ärgstes dazu tun, sie können's mir nicht rauben" (98,24ff).