Woche 14

Meine Empfangsfähigkeit vertiefen
in der ganzheitlichen Öffnung vor Gott


Einführung in die vierzehnte Übungswoche
Der zweite "Raum", in dem sich mein Einbezogensein in die Schicksalsgemeinschaft mit Christus abspielen kann, ist der Raum des "Mit-Lebens" mit dem Auferstandenen - der Anteil an dem neuen Leben, das von keinem Tod mehr bedroht ist.

Ignatius legt in der vierten Woche seiner Exerzitien Ostertexte zum Meditieren vor und läßt den Exerzitanten um die Gnade bitten, Mitfreude mit dem Auferstandenen zu erleben. Nun war gewiß das Erleben der Jünger zwischen Ostern und Himmelfahrt einmalig und einzigartig: Ihnen begegnete der Auferstandene in klaren und ihr Leben verwandelnden Erscheinungen, die mit seiner Himmelfahrt ein Ende nahmen. Wir können wir heute, nach fast zweitausend Jahren, beim Meditieren der Ostergeschichten so mit ihnen umgehen, daß sie ihre Bedeutung für unser Leben enthüllen? Die Antwort setzt wieder unsere "Symbolfähigkeit" voraus. Auch diese Erscheinungen waren Zeichen, Symbole, die über sich hinaus weisen. Was damals zeichenhaft sichtbar war, das ist noch heute die gleiche Wirklichkeit für uns, nur in anderer Weise: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Mt 28,20).

In dieser Woche müssen wir wieder aufnehmen und noch einmal vertiefen, was wir als "Gebet der liebenden Aufmerksamkeit" eingeübt haben (S. ). Hier möchte ich den Ausdruck ändern in "Gebet der liebenden Wachsamkeit". Das soll wieder nach drei Seiten hin entfaltet werden:

- Erstens: Diese Wachsamkeit ist wichtig, weil ich von mir aus nichts tun kann, um die Wirklichkeit des Auferstandenen in meinem Leben zu erfahren. Ich kann nur warten, ob, wann und wie sie mir geschenkt wird. Wenn schon das Eintreten in das "Mit-Leiden" mit Christus etwas ist, wozu der Mensch von Gott selbst gerufen werden muß, wohin er zu einer bestimmten Zeit geführt werden kann oder auch nicht, dann gilt dies in noch höherem Maße für alles, was das "Mit-Leben" mit Christus betrifft: für das Erfahren der Osterwirklichkeit mitten in dieser Zeit und in diesem Leben. Es liegt nicht in meiner Macht, Anteil am Auferstehungsleben des Herrn zu erringen. Hier setzt jede menschliche Aktivität aus - und was geschehen soll, gibt sich nur als reines Geschenk dem Empfangenden.

- Zweitens:Diese Wachsamkeit ist nötig, weil mich die Osterwirklichkeit oft gerade dort berührt, wo ich sie nicht vermute: mitten in der Todeswirklichkeit des Lebens. Auch wo mir Christus als der Auferstandene begegnet, entnimmt er mich damit nicht endgültig den Schmerzen und Leiden dieses Lebens; ja, sein "Führen, wohin du mich willst" beginnt für Petrus gerade dort, wo er dem Auferstandenen begegnet ist (Joh 21,18). Und das stimmt überein mit dem, was wir im konkreten Leben erfahren: Die Osterwirklichkeit leuchtet uns auf, hier und dort, einmal schwächer, einmal intensiver. Aber sie bleibt gebunden an den Raum des Todes, des Schmerzes und des Leidens dieser Welt. Deshalb ist es nicht das Suchen der Freude, das mich für den Empfang der Osterwirklichkeit empfänglich macht und mich in das "Mit-Leben" mit dem Auferstandenen einbeziehen kann, sondern im Gegenteil gerade das Annehmen des Schmerzes in der Verbindung mit Christus. Bereitschaft zum Mit-Leiden mit Christus, nicht nur in hochgesteckten Vorsätzen, sondern ganz konkret im Ja-sagen, im Annehmen dessen, was mir von Gott auferlegt wird, das ist das einzige, was ich wirklich von mir aus tun kann, um mich für die Ostererfahrung in meinem Leben vorzubereiten. Dieses punktuelle Aufleuchten der Osterwirklichkeit mitten in der Todeswirklichkeit des Lebens scheint in einem engen Zusammenhang zu stehen mit der Tatsache, daß Jesus als der Auferstandene nicht mehr ständig bei seinen Jüngern blieb, sondern ihnen an seinem Ostersieg Anteil zu vermitteln.

- Drittens: Diese Wachsamkeit ist entscheidend, weil die Wirklichkeit des Auferstandenen mein Leben manchmal in einer Weise berührt, die ich leicht übersehen kann. So zart und leise ist diese Berührung, fast unmerklich oft, daß mir der Auferstandene selbst immer neu die "Augen des Herzens" öffnen muß, damit ich ihn, den Lebendigen, darin erkenne.

Vielleicht habe ich es schon einmal erfahren, daß eines Tages mein Leben von einer Freude angerührt wurde, die nicht das Leid ablöste, sondern plötzlich, ungesucht und ungewollt, gewissermaßen auf dem Grunde meines Leides, mitten im Schmerz selbst, aufleuchtete. Wo das geschieht, wo ich, in welcher Form auch immer, etwas von der eigentlich unmöglichen Möglichkeit erfahre, Freude auf dem Grunde des Schmerzes zu erleben, ein Ja mitten im Nein zu finden, dort kann ich ahnen, was ein "Mit-Leben" mit dem Auferstandenen meinen könnte. Ich kann etwas davon spüren, wie der Auferstandene mich in eine neue Lebensqualität, in eine neue Lebenswirklichkeit hineinziehen kann, die nicht mehr vom Tod bedroht ist.

Wie das für jeden einzelnen geschehen mag, ist völlig verschieden. Auch für uns gilt noch, was die ersten Zeugen der Auferstehung erfuhren: daß ihnen der Lebendige in immer neuer Weise erschien. Selten erkannten sie ihn sogleich. Es wäre also möglich, daß ich in meinem Leben auch Ostererfahrungen gemacht habe, ohne sie deuten zu können: daß auch mir der Auferstandene schon begegnet ist, ohne daß ich ihn erkannt hätte. Vielleicht waren meine Augen gehalten, und es war niemand zugegen, der mir hätte sagen können: "Es ist der Herr!" (Joh 21,7). Deshalb ist es so entscheidend wichtig, diese Osterwirklichkeit, wo immer sie aufleuchtet, in heller Wachsamkeit wahrzunehmen - mit einer Wachsamkeit des Herzens, die untrennbar verbunden ist mit der intensiven, wortlosen Bitte, daß Gott selbst mir die Augen meines Herzens dafür öffnen möge.

Vor kurzem erfuhr ich etwas, das mir zum Symbolbild für dieses wachsame, wartende Beten geworden ist: Ein jüdischer Besucher erzählte mir, noch heute begänne jeder Festtag für die jüdische Familie dann, wenn am Vorabend des Tages der dritte Stern am Himmel erschienen sei. Der älteste Junge würde hinausgeschickt, um auf diesen Augenblick zu warten und dann sofort im Hause Bescheid zu sagen: "Jetzt ist es soweit!" Warten auf die ersten Sterne, die am dunklen Himmel erscheinen, das wurde mir zum Bild für das wache Warten auf das Einbezogenwerden in das neue, unzerstörbare Leben des Auferstandenen.


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