In der
Bereitschaft wachsen, mich in das Mit-Leiden mit Christus einbeziehen zu
lassen
Der erste "Raum", in dem sich mein Einbezogenwerden in die Schicksalsgemeinschaft mit Christus abspielen kann, ist der Raum des "Mit-Leidens" und "Mit-Sterben" mit ihm.Meine Schmerzen und mein Leid kann ich jeweils in zwei verschiedenen Blickrichtungen sehen: als meinen Anteil - schuldhaft - am Tode Jesu, aber auch als ein Hineingezogenwerden in dieses Sterben. "Hineingezogenwerden" ist hier wieder ein bewußt gewählter passiver Ausdruck; denn in dieses Mit-Leiden mit Jesus Christus kann ich nicht einfach einmal eintreten, wenn mir danach zumute ist - dahinein werde ich berufen. In vielerlei verschiedenen Weisen versuchen die Lehrer des geistlichen Lebens diesen Zustand, diese Wegstrecke zu beschreiben. Johannes vom Kreuz spricht von den "Nächsten", in die der Christ hinein geführt wird; zuerst in die "Nacht der Sinne" und dann - viel später vielleicht - in die "Nacht des Geistes". Diese zweite Nacht ist wohl kaum anders zu verstehen als ein solches Hineingezogenwerden in das Mit-Leiden mit Christus.
Ignatius unterscheidet in seinen "Geistlichen Übungen" die "Krise" der ersten Woche - in der die Erkenntnis meiner Schuld im Vordergrund steht - bewußt von der "dritten Woche", die mich in dieses Passionsgeschehen einbeziehen soll. In dieser Woche läßt er die Leidensgeshichte Jesu meditieren. Viele Begleiter von Einzelexerzitanten (Menschen, die Einzelexerzitien machen) sind heute der Meinung, daß das Geschehen der dritten Woche eigentlich gar nicht mehr seinen Platz in den Exerzitien, sondern mitten im Leben habe - wenn Gott einen Menschen dahin führt. Weg der Nachfolge ist Kreuzesnachfolge. Das gilt nicht nur für eine kürzere oder längere Übergangszeit, sondern es prägt ein solches Leben immer tiefer und immer intensiver. Wach zu werden für die Möglichkeit, daß Gott mich in der Weise, wie es meinem Leben und meinem Alltag entspricht, ist das Mitleiden mit Christus einbeziehen will, ist das Anliegen der Übung dieser Woche.Das erfordert von mir, daß ich nicht beim "Stoff" stehenbleibt, sondern wirklich ein bestimmtes Ereignis oder einen Zustand meines konkreten Lebens an das Christusgeschehen anschließe, wie man - ich benutze einmal den banal klingenden Vergleich - einen Stecker in die stromführende Steckdose steckt. Wenn ich mich bemühe, immer neu im Alltag diese Verbindung herzustellen, dann wird diese Geste zu echten Symbol: Ich erkläre damit meine Bereitschaft, mich von Christus in seinen Leidensweg einbeziehen zu lassen, so wie es für mich gut und für die Welt, in der ich lebe, nötig ist. So folge ich der Aufforderung Jesu: "Wer mir folgen will, der nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach" (Luk 9,23), und so bereite ich mich in aller meiner Schwachheit darauf vor, eines Tages "gewürdigt" zu werden, "für seinen Namen Schmach zu erleiden" (Apg 5,41). Das kann ich jedoch überhaupt nur tun in dem wachsenden Glauben an die Verheißung Jesu: "Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden" (Mt 5,4), und in der Gewißheit, die das Leben des Paulus trug: "Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben" (2 Tim 2,11).