Vielleicht noch mehr als das Streben nach Besitz ist der Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung im Menschen als ein tiefer Lebensimpuls lebendig. Hier liegen echte und gute Kraftquellen in der Tiefe jedes menschlichen Lebens. Deshalb ist es wichtig, daß wir grundlegende Bedürfnisse in uns nicht von vornherein unterdrücken, sondern ihnen das Recht einräumen, das ihnen zusteht Gefährlich wird dieser Wunsch dort, wo die größtmögliche Befriedigung aller großen und kleinen Bedürfnisse zum höchsten und einzigen Lebensziel eines Menschen wird. Ganz abgesehen von der Gefahr, daß solch ein Mensch seine eigenen Ziele rücksichtslos gegenüber anderen Menschen durchsetzt, erliegt er einem schwerwiegendem Irrtum: Er meint, das Glück seines Lebens bestehe in der Befriedigung aller Bedürfnisse.Nun kenne ich glückliche Menschen, die in einer ganz anderen Weise leben. Einige alte Menschen stehen mir vor Augen, die mit einer geringen Rente (gemessen am Einkommen anderer) immer etwas haben, womit sie anderen eine Freude machen können. Das macht sie selbst froh. Oder mir fallen jüngere Menschen ein, die vor einer Aufgabe stehen, die alle ihre Kräfte fordert. Sie haben keine Zeit dazu, ihr "Leben zu genießen", wie man sagt. Aber sie fühlen sich ausgefüllt, befriedigt und innerlich froh.
Dagegen kenne ich wahrhaft unglückliche Menschen: solche, die in ihrem Denken und Trachten immer nur um sich selbst kreisen, die sich immer unbefriedigt vorkommen, weil sie ständig meinen, sie könnten anderen gegenüber "zu kurz kommen".
Aus diesen Erfahrungen heraus wage ich zu sagen: Erst die Freiheit vom Kreisen um sich selbst macht einen Menschen wahrhaft froh und frei, frei für den anderen - frei für die Liebe - und damit frei für das wirkliche Glück.
Wie die Menschheit eines Tages begriff, daß nicht das ganze Universum um die Erde kreist, sondern daß unsere Erde ihre feste Umlaufbahn um die Sonne hat, so ähnlich kann ein Mensch in seinem Leben eine Art "kopernikanischer Wende" erleben, wenn die Liebe von ihm Besitz ergreift. Wer wahrhaft liebt, kreist nicht mehr um sich selbst, sondern er hat seine Mitte gefunden in der geliebten Person. Schon Augustin sagt, daß ein liebender Mensch mehr das Leben dessen lebt, den er liebt, als sein eigenes Leben. Vielleicht ist es allein die wahre Liebe, die einen Menschen befreien kann aus dem Sog eines ihn beherrschenden Strebens nach immer größerer Bedürfnisbefriedigung auf allen Lebensgebieten.
Ich meditiere die "kopernikanische Wende" meines Lebens, die mir die Liebe zu Gott eröffnet: