Woche 9 - Donnerstag

5. Mich annehmen, wie ich vor Gott bin,
um in neuer Weise beten zu lernen

Übung:
Psalm 130 ("Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir")

Varianten:
- Martin Luther: "Aus tiefster Not schrei ich zu dir..." (Liedmeditation, KG 299, GL 163)
- Jean Lafrance (Wortmeditation):

"Wer auf seine innerste Not und seine verborgenste Ohnmacht gestoßen ist wie auf eine kostbare Perle, die es wert ist, sie überall zu suchen, hat zugleich die Quelle des wahren Gebets gefunden. Die Bücher über das Beten und dies schönsten Gebetstechniken sollten uns nicht daran hindern, den richtigen Weg einzuschlagen, jenen Weg, wo das Gebet entspringt und bereits in unserem Herzen wirkt.

Und dieser Weg mündet zwangsläufig in eine radikale Armut; er endet an jenem Ort, an dem in uns ‘der Urschrei unserer fleischlichen Existenz ertönt’ (André Louf). In diesem Sinne steht das Gebet nicht am Ende unserer Reflexion oder eines Gefühls, sondern dringt aus dem tiefsten Inneren unseres Seins wie ein Schrei hervor." Dies ist der Urschrei des Menschen, der bei der Geburt das erste Mal ertönt, in dem das Kind seine Angst, aber auch schon seine Hoffnung auf heraus schreit. Lafrance fährt fort: "Der Erwachsene ist sich dessen vielleicht nicht mehr bewußt, aber er bewahrt diesen Urschrei in den unbewußtesten Schichten seines Seins. Beim Aufbrechen großer Schmerzen oder großer Freude, mitten in den schmerzlichsten Krisen, hallen die Schwingungen dieses Schreies im Leib und im Herzen des Menschen nach. Wer von uns hat noch nicht die Erfahrung einer seelischen Befreiung gemacht, wenn es ihm gegeben war, sich richtig auszuweinen? ... Allein, was den bloßen physischen Bereich betrifft, erfahren wir, daß wir einen Seufzer der Angst oder der Erleichterung ausstoßen, wenn wir einer Schwierigkeit begegnet sind und sie überwunden haben - ein einfacher Druck in der Brust, von dem wir uns durch einen tiefen Atemzug befreien ... Das gilt auch für die noch größeren Leiden, die schmerzlichen Prüfungen und die ungeheuren Versuchungen, die uns noch tiefere Wunden erkennen lassen. Sie treffen uns in einer solchen Tiefe, daß sie aus unserem Inneren Schreie herauspressen, gleich den Blasphemien des Ijob (Hiob).

Zu bestimmten Zeiten ist dieser Schrei so schmerzlich, daß er das Bild Gottes verdunkelt, vor dem er hinaus geschrien wird. Dann ist es gut, sich in die Lage ... Christi am Kreuz zu versetzen, wenn er schreit: ‘Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?’, und vor seinem Vater den ungeheuren Schmerzensschrei ausstößt. In den Psalmen hat Gott diese Schreie wie für uns erdacht und sie uns (durch die Psalmdichter) zur Verfügung gestellt, damit wir ihm den Skandal unseres Leides entgegenzuschreien vermögen. Doch müssen wir dem Schrei unserer Gebete immer wieder neue Kraft verleihen und sie am Wort Gottes prüfen, damit es sie reinigt und in ihnen den echten und tiefen Schrei inmitten alles oberflächlichen Schreiens um uns herum unterscheidet." (A.Louf)

- Ich meditiere, was mir beim langsamen Lesen wichtig geworden ist ...


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