Es ist etwas anderes, ob ich jemanden etwas mitteile oder ihn etwas frage, oder ob ich mich einmal einem Menschen gegenüber wirklich "ausspreche". Wo das geschieht, lasse ich ihn teilnehmen an einem Teil meines Wesens, das anderen Menschen verborgen ist. Das Geheimnis des sich offenbarenden Gottes, an den wir Christen glauben, ist es, daß er nicht nur spricht, sondern daß er sich selbst "ausspricht", "offenbart", daß er dem Menschen Einblick gewährt in das innerste Geheimnis seiner Liebe, in das "Herzgeheimnis" seines Wesens.Nun wird es kaum einen Menschen geben, der seine innersten Geheimnisse in aller Öffentlichkeit preisgibt. Jeder wird sich einen vertrauten Menschen suchen und eine ruhige Stunde, wenn er sich aussprechen will. So ähnlich ist es auch bei Gott. Hier spüren wir die begrenzte Möglichkeit, mit menschlichen Worten etwas vom Geheimnis Gottes auszusagen. Sein Sich-Offenbaren, sein immer tieferes Einblick-Gewähren in das Geheimnis seiner Liebe bindet er an die Antwort des Menschen: Erst indem Abraham aufbricht und alle Sicherheiten zurückläßt, erst indem er sich Schritt um Schritt den Weg zeigen läßt, den Gott ihn führt, lernt er diesen seinen Gott wirklich und wahrhaft kennen; jetzt erst darf er ihm mehr und mehr ins Herz schauen. Das gleiche erlebt das Gottesvolk als Ganzes auf seiner Wüstenwanderung, als es die Fleischtöpfe Ägyptens hinter sich gelassen hat. Und ebenso erfahren es die Jünger, denen Jesus nicht erst sein Programm vorlegt, ehe er sie in die Nachfolge ruft. Sondern indem sie mit ihm gehen, Tag um Tag, indem sie ihr ganzes Leben zur Antwort auf seinen Ruf werden lassen, erkennen sie ihn Tag für Tag besser. Und dann erleben sie, daß sie in ihm und durch ihn dem Vater ins Herz schauen dürfen.
Offenbarung Gottes, sein Sich-Aussprechen, geschieht auch für uns nicht anders als auf diesem Wege, daß wir uns immer neu ansprechen lassen, daß wir unsere Antwort geben in Wort und Tat, in Glauben, Hoffnung und Liebe - und daß wir auf diesem Wege immer mehr erfahren, daß Gott auch uns in sein Herz hineinschauen läßt, so wie es ein jeder ertragen kann und wie Gott es für gut hält. Erst durch meine Antwort - wie sie auch aussehen mag - stelle ich, im Bilde gesprochen, den "Sender meines Lebens" auf die "Wellenlänge" Gottes ein. Aber wann und wie er sendet, das bleibt dennoch ganz seiner Freiheit überlassen.
Markus 10,46-52 (Blindenheilung)Jesus sagt: "Wer mich sieht, der sieht den Vater!" (Joh 14,9)
Wieder lasse ich mich auf die gleiche Erzählung ein, indem ich heute ganz bewußt nur auf Jesus schaue. Genau und sorgfältig beachte ich jede Einzelheit seines Tuns, wie es die Geschichte berichtet. Und ich verweile bei den einzelnen Bildern, wie sie im Verlauf des Geschehens vor meine Augen treten, schaue auf Jesus und versuche, in ihm und durch ihn den Vater zu erkennen.Schön wäre es, wenn diese Meditation in die Anbetung dieser Liebe einmünden könnte.So verweile ich davor, wie sich Gott selbst durch Jesus Christus in dieser Situation seines Lebens im Geheimnis seiner Liebe ausspricht, offenbart...