Woche  1 - Montag

2. Durch neues Hören empfangsfähig werden
Hinführung
In seinem Jugendbuch "Momo" erzählt Michael Ende von einem kleinen Mädchen, das eine einzigartige Fähigkeit besitzt: Momo kann zuhören, wie kein anderer Mensch zuhören kann. Sie kann so zuhören, daß Traurige wieder froh, Verzweifelte wieder ganz getrost werden, wenn sie vor dem Kind ihr Herz ausgeschüttet haben. Sie kann so zuhören, daß Verstrittene plötzlich begreifen, wie nichtig doch eigentlich der Anlaß ihres Streites gewesen war. Ja, Momo bringt durch ihr Zuhören sogar einen Kanarienvogel, der seit Jahren verstummt ist, wieder zum Singen. Und das alles geschieht nicht dadurch, daß Momo etwas sagt, sondern einzig und allein dadurch, daß sie mit ihren großen, dunklen Augen den Redenden anschaut und so aufmerksam hört, daß ihm einfach beim Reden Gedanken kommen, auf die er allein nie gekommen wäre.

In verschiedenen Meditationsgruppen trugen wir im Anschluß an dieses Bild zusammen, was uns eigentlich daran hindert, so zuhören zu können, wie es von diesem Kind geschildert wird. Jeder mag sich zuerst einmal selbst überlegen, was ihm einfällt. Das Wichtigste von dem, was wir gemeinsam zusammengetragen haben, möchte ich Ihnen hier anbieten als Grundlage für Ihre eigene Meditation.

Die eigentliche Meditationsübung kann darin bestehen, daß Sie die verschiedenen Möglichkeiten in sich einlassen mit der Frage: Wo liegen meine besonderen Hörsperren? Was mich aber hindert, auf Menschen zu hören, hindert mich in noch höherem Maße, die leisen, feinen Impulse zu erlauschen, durch die Gottes Heiliger Geist mich in meinem Leben führen und leiten möchte, Schritt um Schritt. So kann das hier zusammengetragene "Material" zum Stoff werden, über den ich ins persönliche Gebet um bessere und tiefere Hörfähigkeit komme. Daß solch ein Beten immer wieder auch in konkrete Vorsätze einmünden möchte, liegt in der Natur der Sache. Es ist günstig, wenn ich solche Vorsätze aufschreibe - dabei immer beachtend, daß ich im Rahmen des mir Möglichen bleiben muß. Es ist wie bei der Kindererziehung, wo die alte Regel gilt: Fordere nicht zuviel, aber sieh darauf, daß das, was du forderst, auch wirklich eingehalten wird.

Noch etwas anderes übe ich an dieser Stelle ein: Ich erkenne die Entsprechungen, die zwischen ganz alltäglichen Erfahrungen im menschlichen Bereich und meinem geistlichen Lebensvollzug liegen. Ich übe mich bereits hier ein wenig in der Symbolfähigkeit, um Dinge des Alltags für mein geistliches Leben fruchtbar werden zu lassen, indem ich sie übertrage. Und vor allem: Ich übe das ein, was grundlegend für diesen Kurs und für mein ganzes geistliches Leben ist: alltägliche Erfahrungen und Erkenntnisse zum Gebet werden zu lassen, ins Beten zu "transportieren".

Und noch eine letzte Vorbemerkung, die für alle Übungen gilt, sich aber hier bei der Fülle des Stoffes besonders nahelegt: Ich muß nicht alles Punkt für Punkt schaffen!
In der Meditation gibt es weder einen Vollkommenheitsstreben noch einen Leistungszwang. Damit würde ich jede Meditation zerstören. Lieber an einer Stelle in die Tiefe gehen und erst weitergehen, wenn diese ausgeschöpft ist, als vielerlei anmeditieren, ohne es auszuschöpfen. Deshalb sollte ich bei dem beginnen, was mir besonders wichtig erscheint, und dabei bleiben, vielleicht ein klein wenig länger, als ich meine, daß es noch etwas hergibt. Erst dann gehe ich langsam und ruhig zu nächsten Punkt weiter. Das gilt für alle Meditationen.


Übung
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