Zwölfte Übungsgruppe Inhalt der Fürbitte - ausgehend von den Nöten des Menschen
Nachdem wir im letzten Brief der Frage nachgegangen waren, welcher Kreis von Menschen mir zur Fürbitte anvertraut ist, wenden wir uns nun der nächsten Frage zu:
Worum darf oder soll ich bitten?
Wir wollen in dieses Thema einsteigen mit einer Meditation, in der wir erst ein Bild suchen und dann gleich dieses selbstgefundene Bild weiter meditieren. Damit wir wirklich unsere Bildschicht hervorkommen lassen, wollen wir zuerst wieder einige Beruhigungsübungen machen:
Wir sitzen (oder liegen) ganz still - alles wird ruhig - alles wird locker - und wir versuchen etwas scheinbar Albernes: Wir stellen uns vor, einige Male durch den rechten, dann einige Male durch den linken Arm auszuatmen ... Dabei lassen wir alle Unruhe mit dem Atem hinaus ...
Nachfolge Christi ist für mich wie ...
Ergebnis:
Die meisten hatten vom Wort "nachfolgen" her das Bild einer "Wanderung" gewählt und hatten dann diese Wanderung meditiert. Daneben kamen weitere Bilder:Ich habe diesmal die gefundenen Bilder im Text selbst angeführt, weil wir mit diesen Bildern weiterarbeiten und manches daran verdeutlichen möchten. Ich bitte Sie darum, daß Sie an den Stellen, wo das geschieht, auch immer das Bild mit einsetzen, daß Sie selbst gefunden haben.- "Ein Kind an der Hand der Mutter" ...
- "Das Joch eines Tieres - es wird leicht, wenn es ein Doppeljoch ist: ‘Mein Joch ist leicht’" ...
- "Das Atelier eines großen Meisters mit vielen Lehrlingen. Alle arbeiten zusammen an einem großen Werk, der Meister gibt das Vorbild, aber jeder hat die Freiheit, seinen Beitrag mit eigener Note zu gestalten" ...
- "Ein guter Schauspieler denkt und fühlt sich so in die Rolle hinein, daß er selbst mit ihr eins wird und diese Rolle dann von innen her gestalten kann"...
Auch bei unserem heutigen Thema: "Worum darf ich bitten?" gibt es einige Fragen, die immer wieder gestellt werden:
Antwortversuche:
Aus der Frage Jesu an den Blinden: "Was willst du, daß ich
dir tun soll?" scheint hervorzugehen, daß
Gott sich ganz konkrete Bitten von uns wünscht. Alle Versprechungen
der Gebetserhörung sind nur unter dieser Voraussetzung verständlich.
Daraus ergibt sich die Verbindung zu unserer Meditation am Anfang: Jesus
sagt: "Ich bin der Weg" - das gilt für alle Menschen,
ob sie es wissen oder nicht.
Diesen Weg gehen aber heißt: Jesus nachfolgen.
Ich darf um das bitten, was den Menschen meiner Fürbitte in die
Nachfolge Jesu stellt.
Dazu können mir folgende Bilder helfen.
Ich wähle mir ein Bild aus, in dem wir "Nachfolge Christi" geschaut haben, und stelle den Menschen, für den ich beten will, in dieses Bild hinein ...
Ich könnte einen Menschen, für den ich bete, sehen
als einen Wanderer hinter dem Bergführer ... als ein Tier im Joch, neben dem das stärkere Tier die eigentliche Last zieht... als einen Lehrling im Atelier des Meisters, der seinen guten Beitrag zum Ganzen leisten möchte und leisten soll... als einen Schauspieler, der er lernen soll, sich ganz in die Rolle seines Vorbildes hineinzuleben ... (ca. 5 Minuten Stille ...)
Ergebnis:
Aus diesem Bild kann sich plastisch ergeben, was diesem Menschen nötig ist, worum ich für ihn bitten darf - in der festen Gewißheit, daß solches Gebet erhört wird: "Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun" (Joh 14,13).
Ich komme gerade aus einer psychiatrischen Klinik, in der eine Frau aus der Gemeinde seit längerer Zeit liegt. Sie ist dort unter Menschen, von denen nur einige noch vernünftig ansprechbar sind. Sie selbst hat seit ihrer Kindheit ihr schweres Leben nur mit Hilfe eines ganz tiefen Glaubens bewältigen können.
Jetzt steht sie am Ende ihrer Kraft: "Ich kann nicht mehr! Diese Atmosphäre halte ich nicht aus - beten Sie für mich - sagen Sie allen, die mich kennen: Ich brauche verstärkte Fürbitte!"
Wie könnte solche Fürbitte aussehen?
3. Übung
Ich meditere fürbittend einen Menschen, dessen Not mir in letzter Zeit hautnah begegnet ist.
Der Gang der Meditation kann etwa in folgenden Schritten geschehen:
- 1. Schritt: Ich nenne die Anliegen ...
(es wäre gut, sich einige Punkte aufzuschreiben ...)- 2. Schritt: Ich schaue Jesus an:
Wie hast Du in Deinem Leben entsprechende Not bewältigt?- 3. Schritt: Ich bitte um das, was diesen Menschen Jesus ähnlich macht...
(ca. 5 Minuten Stille ...)
Ergebnis:
- Was geschieht beim ersten Schritt?
Ich nenne vor Gott die Dinge, die meiner Ansicht nach für diesen Menschen gut sein könnten und bitte darum. An dieser Stelle hören wir meistens mit unserer Fürbitte auf.
- Was geschieht beim zweiten Schritt?
Hier könnte das Wesentliche erst beginnen:
Indem ich Punkt um Punkt (deshalb sollte man sie sich notieren) meiner Bitten auf ihre Entsprechung im Leben Jesu befrage,
- a) prüfe ich das Anliegen auf seine "Christusgemäßheit"...
- b) erfahre ich, wie unter diesen Fragen das Bild Jesu für mich immer plastischer wird -
- c) öffnet sich mir der Ausblick darauf, wie Jesus nicht nur die Not dieses Menschen mitträgt, sondern aller Menschen in entsprechenden Nöten.
- Was geschieht beim dritten Schritt?
Vielleicht kann man es an unseren Bildern für die Nachfolge Christi deutlich werden lassen:
Unsere Fürbitte ist nichts anderes als ein schwaches Abbild dessen, was Jesus Christus für uns tut. Wenn wir um etwas beten, was uns selbst gut erscheint, dann gleicht das Gebet einem schmalen Bächlein. Beten wir aber um das, was Christus selbst getan und vollbracht hat, dann mündet unser Bächlein in einen Strom, dessen Gewalt Felsen bewegt. Dann beten wir nicht mehr allein, sondern beten mit Jesus zusammen. Vielleicht tun wir überhaupt nichts anderes, als das ewige Gebet des Fürsprechers beim Vater durch unser kleines Gebet zu den bestimmten Menschen hinzuleiten - so wie man vom Hauptstromnetz kleine Leitungen abzweigt. Jesus aber betete nicht nur mit Worten, sondern sein ganzes Leben war Gebet: "Für euch."- Ich bringe den Menschen, für den ich bete, durch mein Gebet zu Jesus:
- Ich zeige dem verirrten Wanderer nicht nur die Richtung, sondern ich bringe ihn zu dem Führer, der ihn mitnimmt -
- Ich bringe das Kind zur Mutter -
- Ich führe das Tier zu dem anderen Tier, welches das Joch mitträgt, so daß das Joch leicht wird -
- Ich führe den Lehrling, der ungeschickt zu malen versucht, zum Meister, der ihn anweist und das Schwerste selbst ausführt -
- Ich gebe dem Schauspieler die Rolle, die ihm genau angemessen ist ("entspricht"!) -
- Ich setze das eigene Bild ein ...
Zusammenfassung:
In dieser Weise kann ich für jeden Menschen mit seinen Anliegen beten:
- Ich nenne das Anliegen -
- Ich spreche Christus an, der in seinem Leben einen Ort hat, der diesem Anliegen irgendwie entspricht (positiv oder auch kritisch!)-
- Ich bitte um das, was zur Begegnung oder zur Ähnlichkeit mit Christus führt.
Solches Gebet wird durch Meditation möglich und kann in die Tiefe der Meditation hineinführen.
Eine Teilnehmerin äußerte nach dieser Stunde:
"Ich glaube, über diesen Weg der Fürbitte finde ich einen leichteren Zugang zum Meditieren."Noch etwas: Die letzte der Fragen zu Beginn war noch offengeblieben: Wo ist die Grenze der Fürbitte?
Diese Frage wurde wahrscheinlich durch das Fürbittanliegen jenes psychisch belasteten Menschen hervorgerufen - vielleicht hätte ich ein anderes Beispiel wählen sollen. Aber ich setze die Fürbitte am liebsten dort an, wo sie gerade heute besonders akut ist, und das war hierbei der Fall.
Erst durch diese Frage wurde mir selbst deutlich, weshalb mir seit Jahren dieser 2. Schritt, die Schau auf Jesus, unerläßlich erscheint: Hier geschieht das Einswerden mit Jesus - und damit die Abschirmung gegen alle Dunkelheiten. Er ist Sieger!
Beispiele für die Fürbitte in der angebotenen Form:
Worum könnte ich für einen psychisch kranken Menschen bitten?
1. Ich bitte darum, daß der Arzt die Situation des Kranken erkennt:
- daß der Patient die Kraft behält -
- daß er innerlich still wird -
- daß er von den anderen abgeschirmt wird -
- daß er für die anderen zum Segen wird und dieser Segen wieder auf ihn zurückkommt -
- daß er nicht aufhört, sich in seiner Schwachheit an Christus festzuklammern -
2. Ich schaue auf Jesus:
3. Gebet:- Bu bist der rechte Arzt, der alle Nöte kennt -
- der alle Schwachheit selbst kennt -
- der beim Beten in Gethsemani still wurde -
- der sich nicht von den anderen getrennt hat,
- der nicht abgeschirmt wurde.
- Du bist der rechte Arzt, - hilf den Ärzten, das Rechte zu erkennen und zu tun ...
- Du bist zu schwach gewesen, Dein Kreuz selbst zu tragen, hast Hilfe annehmen müssen, - schenk dem kranken Menschen die Hilfe, die er braucht ...
- Du bist still geworden und hast den Sturm gestillt, - laß ihn still werden in Dir ...
- Du bist eins geworden mit allem Menschenleid, - laß Segen von ihm ausgehen für die, mit denen er zusammen sein muß...