Fünfte Übungsgruppe Meditation symbolischer Ereignisse
Nicht nur einzelne Dinge können Symbolcharakter haben, sondern ganze Ereignisse können symbolisch über sich hinausweisen. Der Einsturz eines Turmes von Schiloach wird von Jesus symbolisch als Hinweis auf das Gericht Gottes gedeutet (Lk 13,4f.).
"Oder meint ihr, jene achtzehn, auf die der Turm am (Teich) Schiloach herabstürzte und sie erschlug, hätten größere Schuld auf sich geladen als alle anderen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch, vielmehr: Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle genauso umkommen!"
Der Durchzug des Gottesvolkes durch das Schilfmeer sowie das Pascha-Geschehen (mit seiner Erfüllung im Kreuz) sind immer wieder als "Ursymbole" des alten und neuen Gottesvolkes verstanden worden: So handelt Gott an seinem Volk!
So wollen wir heute symbolische Ereignisse meditieren. In einem Ereignis ist vieles enthalten: Dinge, Handlungen (darauf gehen wir später noch besonders ein), Reaktionen, Zustände u.a. Im Ereignis verbindet sich das alles zu einer Einheit, diese Einheit kann symbolisch über sich hinaus weisen. Wir wollen wieder Schritt um Schritt vorangehen.
Ich versetze mich zurück in mein erstes Lebensjahr ... Ich habe in diesem Jahr Entscheidendes für mein ganzes Leben gelernt
(Wer meint, diese Aufgabe sei ihm zu schwer, kann einfach ein anderes Kind in diesem Alter meditieren.)- Wie geschah es? ..
- Was habe ich damals vielleicht schon gelernt? ...
(mindestens 10 Minuten Stille ...)
Ergebnis:
- Wesentliche Erkenntnisse menschlichen Daseins prägen den Menschen bereits im 1. Lebensjahr. Psychologen sprechen von einer Prägephase, in der die Denkstrukturen des Gehirns gebildet werden. Von den verschiedenen Erkenntnissen, die bei dieser Übung gewonnen wurden, kann ich z.T. mühelos Rückschlüsse ziehen auf das, was mir im Leben besonders wichtig ist.
- Diese Erkenntnisse werden in der Phase des Aufnehmens noch nicht verbal geformt, das Kind kann seine Erfahrungen noch nicht in Worte fassen. So lernt es unmittelbar, ohne Zwischenschaltung des Verstandes, intuitiv. Aber gerade diese intuitiven "Eindrücke" prägen nachhaltiger als jedes Wort und haften fast unauslöschlich. So können Psychologen nachweisen, wie sich das persönliche Gottesbild des Menschen schon in diesem Lebensabschnitt "bildet"(!) - doch ebenso die Einstellung: "So ist das Leben".
- Später erst, wenn der Mensch lernt, seine Erfahrungen und Gefühle in Worte zu fassen, kann er solche Ganzheitserfahrungen ausdrücken. Immer wieder geschieht das - in besonders prägnanter Form in Sprichwörtern. In solchen Sprichwörtern sammelt sich Weisheit, die dem gelebten Leben abgelauscht ist.
- Welche Rolle spielt der menschliche Verstand, der Geist des Menschen in der Meditation? Diese Frage kann man an dieser Stelle beantworten. Meditieren ist immer Sache des ganzen Menschen; aus dieser Ganzheit darf man den menschlichen Geist nicht ausklammern. Aber er muß seinen rechten Platz einnehmen. Eine gewisse Ausschaltung des Verstandes ist dort nötig, wo die Öffnung „nach unten" geschehen soll - hier wirkt der Verstand oft als Barriere. Dagegen scheint mir seine Aufgabe bei der Auswertung der Meditation unersetzlich zu sein, wenn uns Meditieren Weg zum vollen Menschen werden soll. Sammeln, ordnen, vergleichen, Verbindungen herstellen, beurteilen, das Ganze in eine Form bringen, um es anderen zugänglich machen zu können, das ist die unersetzliche Aufgabe des menschlichen Geistes, wie er in der Bildung der Sprache überhaupt und - bei unserem heutigen Anliegen - in der Bildung von Sprichwörtern tätig ist. Das geformte Wort könnte man vergleichen mit dem Bild, das der Künstler schafft aus dem Erleben des inneren Bildes heraus - mit der Symphonie, welche die innere Musik Gestalt gewinnen läßt.
2. Übung
Wir lassen uns ein Sprichwort einfallen und meditieren es ...
(es sollte ein positives Sprichwort sein).(ca. 5 Minuten Stille ...)
Nach der Meditation kann ich mich fragen, weshalb mir gerade dieses Sprichwort eingefallen sein mag?
Auswertung der Meditation:
- Wir fragen uns: Wie ist es zu solchen Sprichwortbildungen gekommen? Irgendwo hat es jemand geprägt, der eine Situation auf ihre Tiefe hin befragt hat - andere Menschen haben ähnliche Erlebnisse gehabt und im eigenen Erleben die Wahrheit eines solchen Wortes begriffen. So wurde es zum Allgemeinbesitz. Die Wahrheit ist nur im lebendigen Lebensvollzug erkennbar. Wir dürfen dabei einen Blick tun in die Lebensweisheit der Menschheit.
- Es gibt Sprichwörter, die sich zu widersprechen scheinen. ("Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" - "Man wird so alt wie eine Kuh und lernt doch immer noch dazu!"; "Not lernt beten" - "Not lernt fluchen!"). Beides kann stimmen. Die Wahrheit Gottes ist keine Mathematik, in der es für die Summe zweier positiver Zahlen nur eine einzige richtige Lösung gibt. Die Wahrheit Gottes ist soweit, so umfassend, so groß, daß sie sogar Gegensätze einschließen kann.
Hinführung zur nächsten Übung:
Wir selbst können solche Wahrheiten finden - jeder hat sie schon in seinem Leben gefunden. Wo wir etwas erleben, können wir es so lange anschauen, bis es uns seine Tiefe erschließt, die Lebenswahrheit, die in diesem Geschehnis verborgen ist. Wenn man das in Worte faßt, entsteht so etwas wie ein Sprichwort. Man kann lernen und üben, konkrete Geschehnisse auf die Wahrheiten hin zu befragen, die in ihnen verborgen sind.
Ich meditiere eine Bergwanderung:
Jeder von uns hat entweder selbst schon eine Bergwanderung gemacht oder davon gelesen oder gehört. Dabei können viele Ereignisse und Erlebnisse symbolisch auf andere Ebenen unseres Lebens übertragbar sein. Ich stelle mir vor, in einem Gebirge zu wandern. Irgendwo halte ich inne. Könnte das, was ich hier erlebe, ein Gleichnis für gewisse Situationen meines Lebens sein? ... Ich verweile in diesem Schauen, und warte, ob sich die Wahrheit in einemsprichwörtlichen Satz formen läßt, den ich auf andere Lebensbereiche übertragen kann ...
(mindestens 4 Minuten Stille ...)
Auswertung der Übung:
Ein schwerbehinderter Mensch fand bei dieser Aufgabe folgenden Satz:
"Je höher man kommt, desto weiter wird auch die Aussicht, der Horizont wird immer größer, was unter mir ist, immer kleiner, die Krönung ist der Gipfel-Ausblick!"
Vielleicht kann uns an diesem Geschehen etwas Wichtiges deutlich werden: Wer selbst noch nie eine Bergwanderung gemacht hat, kann sich doch innerlich so tief in dieses Erleben hineinversetzen, daß er es besser versteht als mancher anderer, der selbst schon oft einen Berg erklommen hat. So kann die echte Sehnsucht, der tiefe Wunsch manchmal ein tieferes Verstehen, einen echteren Anteil an dem Ersehnten vermitteln, als es durch eine reale Erfüllung geschehen würde. "Ich hatte gelernt, daß Erfüllung und Sehnsucht nur verschiedene Wege zu dem gleichen Ziel sein können." .
Impulsiv wurde in unserem Kreis - als wir die gefundenen Sätze nannten - der Wunsch laut: "Das müßte man schriftlich mit nach Hause nehmen!" Weshalb? Weil man über jeden dieser - selbst gefundenen! - Sätze weiter meditieren müßte. So reich kann ein kleiner Ausschnitt des Lebens werden, wenn man den Blick in die Tiefe richtet!
Die Übung des Aufstiegs auf einen Berg war eine verhältnismäßig leichte Übung, man kann hier besonders gut selbst erfahren, wie man es macht. Jedes Stück unseres Lebens kann man aber in ähnlicher Tiefe erschließen. Wir wollen es selbst zu Hause versuchen, einmal den Gang oder die Fahrt zum Arzt auf diese Weise auf allgemeingültige Wahrheiten zu befragen. (Wichtig ist: Es muß ein Arztbesuch sein, von dem ich wirklich Hilfe in einer konkreten Not erwarte. Dann kann ich den Entschluß, den Weg, das Warten, die Behandlung meditieren).
Hinführung zur nächsten Übung
Was wir am Thema der Bergwanderung geübt haben, kann man an biblischen Texten anwenden. So finden wir die "existentiellen" Aussagen eines Textes. Die Bibel vermittelt uns nicht nur "Lebensweisheiten" in der Form von anschaulichen Geschehnissen (diese auch!), sondern sie schenkt uns Wahrheiten, die sich zwischen Gott und dem Menschen ereignen. Man muß üben, solche im Text verborgene Wahrheiten herauszukristallisieren.
4. Übung
Wir lesen und erleben einen Alttestamentlichen Text innerlich mit::
Ex / 2. Mose 14,8-16: "Der Herr verhärtete das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, so daß er den Israeliten nachjagte, während sie voll Zuversicht weiterzogen. Die Ägypter jagten mit allen Pferden und Streitwagen des Pharao, mit seiner Reiterei und seiner Streitmacht hinter ihnen her und holten sie ein, als sie gerade am Meer lagerten. Es war bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon. Als der Pharao sich näherte, blickten die Israeliten auf und sahen plötzlich die Ägypter heranrücken. Da erschraken die Israeliten sehr und schrien zum Herrn. Zu Mose sagten sie: Gab es denn keine Gräber in Ägypten, daß du uns zum Sterben in die Wüste führst? Was hast du uns da angetan? Warum hast du uns aus Ägypten herausgeführt? Haben wir dir in Ägypten nicht gleich gesagt: Laß uns in Ruh! Wir wollen Sklaven der Ägypter bleiben; denn es ist für uns immer noch besser, Sklaven der Ägypter zu sein, als in der Wüste zu sterben. Mose aber sagte zu dem Volk: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet! Wie ihr die Ägypter heute seht, so seht ihr sie niemals wieder. Der Herr kämpft für euch, ihr aber könnt ruhig abwarten.
Der Herr sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sag den Israeliten, sie sollen aufbrechen. Und du heb deinen Stab hoch, streck deine Hand über das Meer und spalte es, damit die Israeliten auf trockenem Boden in das Meer hineinziehen können!"Ich schaue die Ereignisse dieses Abschnitts ruhig an, bis sich mir darin etwas erschließt vom Geheimnis Gottes, das auch für mein Leben gilt. Ich formuliere das Gefundene in kurzen Sätzen und schreibe sie auf ...
(ca. 10 Minuten Stille ...)
Abschluß dieser Übung:
An solch eine Übung kann sie eine "Gesprächsmeditation" anschließen, wenn man in einer Gruppe ist. Man verbleibt dann in Meditationshaltung, und einer nach dem anderen sagt ruhig, meditativ, einen seiner gefundenen Sätze. Dazwischen muß immer eine so lange Pause bleiben, daß die Worte in jedem nachklingen können.
Ich wende an, was wir bisher geübt haben:
„Und siehe,
zwei von ihnen wanderten noch am selben Tage in ein Dort, das sechzig Stadien
von Jerusalem entfernt lag, mit Namen Emmaus, und sprachen miteinander
über all das, was geschehen war. Während sie so hin und her redeten,
kam Jesus selbst zu ihnen heran und wanderte mit ihnen. Doch ihre Augen
waren gehalten, so daß sie ihn nicht erkannten. Da sprach er sie
an: ‘Was sind das für Geschichten, die ihr da auf dem Wege so
eifrig beredet?’ Sie blieben mit finsteren Mienen stehen. Der eine,
mit Namen Kleopas, antwortete: ‘Solltest du der einzige Fremdling
in Jerusalem sein, der nichts davon erfahren hätte, was sich in diesen
Tagen zugetragen hat?’ Er fragte: ‘Was denn?’ Sie sagten:
‘Das über Jesus von Nazareth: Der ein Prophet war, wort- und
tatgewaltig vor Gott und allem Volk, und wie ihn unsere Hohenpriester und
Oberen zum Tod verurteilt und gekreuzigt haben! Wir aber hatten gehofft,
er sei der, der Israel erlösen wird! Doch über dem allen ist
es nun heute der dritte Tag, seit es geschehen ist. Aber da haben uns einige
Frauen aus unserem Kreise erschreckt: Früh am Morgen sind sie zum
Grab gekommen, haben aber seinen Leichnam nicht gefunden und sind zu uns
gekommen und behaupten, in einer Erscheinung Engel gesehen zu haben, die
gesagt hätten, er sei am Leben. Daraufhin sind einige von uns zum
Grab gegangen und haben es genau so gefunden, wie die Frauen es gesagt
haben - doch ihn haben sie nicht gesehen.
Da sagte er zu ihnen: ‘O
seid ihr unverständig, zu trägherzig, um all dem Glauben zu schenken,
was die Propheten gesagt haben! Mußte denn nicht der Messias das
alles erleiden, um in seine Herrlichkeit einzugehen?’ Und, angefangen
vonMose und allen Propheten, legte er ihnen aus, was in allen Schriften
über ihn geschrieben ist.
So kamen sie zu dem Dort,
dem Ziel ihrer Wanderung; und er machte Anstalten, allein weiterzuwandern.
Da nötigten sie ihn und sagten: ‘Bleibe bei uns, denn es will
Abend werden, und der Tag geht zur Neige.’ Da ging er mit hinein,
um bei ihnen zu bleiben. Als er nun mit ihnen zusammen beim Mahl lag, nahm
er das Brot, sprach den Mahlsegen, brach es und reichte es ihnen. Da gingen
ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; doch er verschwand von ihnen.
Da sagten sie zueinander: ‘Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns
redete auf dem Wege - wie er uns die Schriften aufschloß?’ Und
noch zur selben Stunde machten sie sich auf und kehrten nach Jerusalem
zurück. Dort fanden sie die Elf und ihre Gefährten versammelt,
die sagten: ‘Der Herr ist wirklich auferweckt und Simon erschienen!’
Da erzählten sie, was sich unterwegs zugetragen hatte, und wie sie
ihn am Brechen des Brotes erkannt hatten."
Aufgabe:
Ich formuliere die daraus erwachsenen Erkenntnisse (bitte die Ergebnisse aufheben, wir brauchen sie später wieder).
Worte zur Bergwanderung:
Mit wenig läuft sich’ leichter ... Die Kräfte müssen eingeteilt werden ... Ruhig und stetig gehen führt zum Ziel ... Eine Stütze erleichtert den Weg ... Mein Sohn, laß dich an die Leine nehmen ... Harte Belastungen durch Wind und Wetter gehören zu manchem Erlebnis dazu ... Angst verdoppelt die Gefahr ... Hindernisse sind da, um überwunden zu werden ... Wenn es schwierig wird, muß man sich ganz auf die Aufgabe konzentrieren... Auf halber Höhe ist es härter, zurückzugehen als vorwärts ... Manchmal bleibt einem die Luft weg ... Erst über den Wolken scheint die Sonne ... Man atmet freier, wenn man auf den Höhen ist ... Mühe führt zum Ziel ... Nur mit dem Notwendigsten belastet, erreicht man den Gipfel ... Je höher man kommt, desto weiter wird die Aussicht, der Horizont wir immer größer, was unter mir ist, immer kleiner, die Krönung ist der Gipfel-Ausblick... Vom Gipfel aus wird der Weg überschaubar ...