HAUPTTEIL I:
"DIE MOTIVATION"
Sehnsucht nach Liebe und gelingendem Leben


Einführung in den ersten Hauptteil
Überblick:

Ur-Sehnsucht nach Höhen und Gipfeln
Sehnsucht als Kraft, in ein erfülltes Leben aufzubrechen
Die Motivation für einen geistlichen Weg


Ur-Sehnsucht nach Höhen und Gipfeln

Wir gehen hier wieder aus von dem archetypischen Bild des Hochgebirges, und zwar unter dem Blickwinkel, wie die Bergwelt oft eine tiefe Sehnsucht im Menschen nach den "Höhen und Gipfeln" des Lebens erweckt. Wer ein Gespür für die Botschaft der Berge hat, fühlt, wie im Anblick der Berge eine Sehnsucht in ihm erwachen kann, derer er sich vielleicht vorher gar nicht bewußt gewesen ist.

Meister Eckehart ist geradezu fasziniert von der Fähigkeit der menschlichen Seele, sich etwas vorstellen zu können, was räumlich oder zeitlich entfernt ist: "Ich kann mir im Winter eine Rose vorstellen", sagt er - und wir sollten uns einmal bewußt machen, welche Möglichkeiten uns damit eröffnet sind! In diesem Sinne machte ich schon häufig mit Meditationsgruppen folgende Übung: Wir begaben uns in der Vorstellung auf eine Hochgebirgswanderung. Dann gab ich die Aufgabe, bei irgendeinem Erleben, an irgendeiner Stelle innerlich zu verweilen mit der Frage: Könnte das, was ich hier erlebe, etwa ein Gleichnis sein, übertragbar auf mein normales Alltagsleben? Die Teilnehmer versuchten dann die gefundenen Erkenntnisse in sprichwortähnlichen Sätzen zu formulieren. An diesen Worten ist vieles symbolisch und damit übertragbar auf einen geistlichen Weg, wie ihn Meister Eckehart anbietet. Deshalb beginne ich meine Meister-Eckehart-Kurse gern damit, Bergbilder zu zeigen und dazu einige dieser Wahrheiten in den Raum zu stellen.

Ich gebe Ihnen einige solcher Worte - und es wäre schön, wenn Sie sie selbst durch eigene Worte ergänzen könnten:


Sehnsucht als Kraft, in ein erfülltes Leben aufzubrechen

In welche Dimensionen unseres Lebens sprechen diese Bilder hinein? Ich denke, dass ein Leben, das nur immer "auf der Stelle tritt", wie die Redensart sagt, ein armes, ein kaum menschenwürdig zu nennendes Leben ist. Lebenswertes Leben beginnt dort, wo ich ein Ziel vor Augen habe, das mich zum Aufbrechen lockt.

Christen und Nichtchristen unterscheiden sich darin nicht, dass ein jeder mit seinen offenen oder auch verborgenen Wünschen und Sehnsüchten lebt. Wo diese Sehnsüchte angesprochen werden, beginnt ein neues Hören: Da beginnt tief innen etwas im Menschen mitzuschwingen, was ihn angeht. Solche Sehnsüchte aber können verdrängt werden: Wenn sie unerfüllbar scheinen, läßt man sie häufig lieber gar nicht zu - und verschüttet sich dadurch selbst eine lebendige Lebensquelle. Ebenso gefährlich ist es, sich tiefe, wesentliche Sehnsüchte nur vordergründig zu erfüllen. Damit wirft man "Erde, das ist irdisches Begehren", auf die lebendige Quelle (143,21ff), sagt Meister Eckehart. Auch wenn die Quelle dadurch nur zugeschüttet wird und nicht völlig zu versiegen braucht, geschieht auf diese Weise nicht nur ein Lebensverlust, sondern letztlich Gottesverlust für den Menschen: Ist doch unsere immer unstillbare Sehnsucht nach "Höhen und Gipfeln", nach letztem Glück und Erfüllung nichts anderes als Spiegel der Sehnsucht, die Gott selbst nach uns hat. Wenn wir uns auf Gott einlassen, wie er wahrhaft ist, dann erfüllen wir uns nicht nur etwas von unserer eigenen Sehnsucht; wir tun etwas, wonach Gott selbst sich sehnt: "Denn der Vater treibt und jagt dazu, ...dass wir dasselbe werden, was der Sohn ist" (269,22ff). Und dazu lockt uns Meister Eckehart auf seinen "Höhenwegen".


Die Motivation für einen geistlichen Weg

Wie kann das konkret aussehen? Es ist im geistlichen Leben nicht anders als bei anderen Erfahrungen des Lebens: Nur wer wirklich von innen her motiviert ist, hält eine schwierige Aufgabe durch. Nur wer wirklich an ein Ziel kommen möchte, wird auch harte Wegstrecken mit in Kauf nehmen. Und diese ersparen uns weder die Hochgebirgsgipfel noch unsere christlichen Mystiker auf einem geistlichen Weg. Deshalb hängt Entscheidendes davon ab, ob ich mich zu solch einem Aufbruch motivieren lasse: ob ich mich dem Anblick des Zieles aussetze und davor verweile, damit die Sehnsucht in mir erwachen kann, den Gipfel zu erklimmen, und damit die Motivation für diesen Weg mich durchdringt.

So will der erste Hauptteil helfen, "die Berggipfel" in den Blick zu bekommen: zu ahnen, welche Möglichkeiten ein erfülltes Leben in sich birgt, die Sehnsucht danach in uns zuzulassen, damit sie uns aufbrechen und nicht wieder zur Ruhe kommen läßt, bis wir mehr und mehr spüren, was wahres Leben sein könnte: Leben, wie es Gott für jeden von uns bereit hat; Leben, wie es gemeint war, als Gott uns Menschen "nach seinem Bilde" schuf...


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