Bei eigenen Einzelexerzitien stellte ich mich früher manchmal unter den Leistungsdruck, recht viel Schönes erfahren zu müssen, damit ich dann auch zu Hause davon weitergeben könne. Damit blockierte ich zum Teil wichtige, gute Erfahrungen. Denn - das musste ich erst mühsam lernen: ich werde nicht nur dort "lebendiger", wo ich an frohen Glückserlebnissen Anteil bekomme, sondern auch dort, wo ich Schmerzen und Leid zulassen und anschauen kann. Lebendigkeit ist nicht gebunden an Glück, wohl aber an Echtheit und Wahrheit. Ich kann während einer schmerzhaften Krisenperiode meines Lebens viel "lebendiger" sein als während anderer Zeiten ohne besondere Höhen und Tiefen. Doch das wird mir meistens erst im nachhinein bewusst!In immer neuen Varianten kreisen Meister Eckeharts Gedanken darum, dass der "Mensch, um den es recht steht", nicht mehr "von draußen", sondern aus seiner eigenen Mitte her leben soll. Wenn ein Mensch gefragt wird, warum er lebt, kann er darauf keine Antwort geben. Das Leben hat keinen Grund, den man nennen könnte, es hat kein Ziel, das man beschreiben könnte, als einzig und allein Gott selbst. (vgl. Meister Eckehart S. 384,18f.) Wenn ich die Quelle, die in mir ist, offen halte, dann bin ich "wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit" (Ps 1,3). Und dann bricht augenblicksweise eine Freude in mir auf - eine Freude, die keinen schalen Nachgeschmack hinterlässt! Und in solchen Augenblicken ahne und "schmecke" ich, was Leben in Fülle sein könnte - was mir zugedacht ist!
"Diese Freude ist euch nahe und ist in euch!"
Ich spüre Glückserlebnissen in meinem Leben nach - welche davon machten mich "lebendiger" - und welche hinterließen einen schalen Nachgeschmack?... (Der Volksmund spricht bildhaft von "Katzenjammer"!)
"Mein ganzes Glück bist du allein" (Ps 16,2).
- Mein Gott, in dem meine Sehnsucht die Möglichkeit berührt, etwas vom Leben in Fülle zu schmecken -
Ich lasse meinen innersten Wunsch nach Freude in mir zu:
"In dir" - "ist Freude"...
"Wenn der Mensch über seinen freien Willen Gewalt erhält in der Gnade und er ihn mit dem Willen Gottes gänzlich... zu vereinen vermag, dann braucht's nichts weiter, als dass er spreche...: 'Herr, weise mich, ... was soll ich tun, das dir in Wahrheit das Allerliebste ist?' - und Jesus antwortet, das heißt, er offenbart sich... ganz so, wie er ist, und erfüllt den Menschen so bis zum Überfluss, dass er ausquillt und ausfließt aus übervoller Freude Gottes..." (277,19ff).
"Ich sage aber noch mehr... diese Freude ist euch nahe und ist in euch! -: Es ist keiner von euch so grobsinnig noch so klein an Fassungskraft noch so weit davon entfernt, dass er diese Freude nicht... so, wie sie wahrheitsgemäß ist, in sich finden könnte, noch ehe er heute aus dieser Kirche kommt" (275,30).