Ein Wort Meister Eckeharts ist uns sicher schon irgendwo begegnet: "Schau nicht über dich, sondern schau immer unter dich!" Etwas in uns wehrt sich dagegen: Wir werden mit solch einer Flut von Informationen überschüttet vom Leid in der Welt, dass uns unsere Seele schier zu klein dünkt, um diesen ganzen Schmerz in uns einzulassen. Aber gerade weil das so ist, deshalb ist - angesichts eines konkreten eigenen Leiderlebens - dieser "Blick nach unten" eine immer neue und wichtige Übung unseres geistlichen Lebens. Wenn ich am Tage, an dem die ganze Welt auf die DDR schaut, weil dort erstmals freie Wahlen stattfinden können, in einer Zeitung von der unglaublichen Dürrekatastrophe in Italien und Griechenland lese, die bereits sichtbare Auswirkung der weltweiten Klimaveränderung ist, dann stellt mich solch eine Zeitungsnotiz plötzlich wieder in die richtigen Relationen hinein: Wie unwichtig - trotz ihrer großen Bedeutung - ist solch ein Wahltag angesichts der Menschheitsbedrohung unermesslichen Ausmaßes! Die Wüstenmönche hätten von "Dämonen" gesprochen angesichts der immer neu erfahrbaren Tatsache, wie sehr der Blick auf eine konkrete eigene Not geradezu "bannen" kann - als ob es nichts anderes mehr auf der Welt gäbe! "Las los" - "lass dich los - auch mit deinem augenblicklichen Schmerz", diese Aufgabe stellt uns der "Blick nach unten". Das bedeutet in keiner Weise, dass ich mein eigenes Leid verdrängen müsste - im Gegenteil: In dem Maße, wie ich es annehme und durchstehe, ohne ständig darum zu kreisen, öffne ich mich für die, "die übler daran sind".
"Willst du getröstet werden, so vergiss derer, denen es besser geht, und gedenk immerzu derer, die übler daran sind."
"Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen" (Gal 6,2).
- Mein Gott, der mich bittet, mein Herz fremdem Leid zu öffnen -
Ich nehme das Leid eines anderen Menschen in mein Herz hinein, gebe meinem "Mit-Leid" mit ihm Raum in mir - und bringe den eigenen und den fremden Schmerz zu Gott, der in mir wohnt: "Was immer wir zu Gott bringen, das wird verwandelt" (167,23f):"Dir"....
"Auch wird das... den Menschen trösten, wenn er bedenken will, wie manches Tausend derer lebt, die, wenn sie (das)... besäßen, (was)... du noch hast,... sich sehr reich dünkten und von Herzen froh wären" (107,13ff)."Ein Weiteres aber gibt es, das den Menschen trösten soll. Ist er krank und in großem Schmerz seines Leibes, hat er jedoch seine Behausung und seine Notdurft an Speise und Trank, an Beratung der Ärzte und an... Beistand seiner Freunde: wie sollte er sich da verhalten? Nun, was tun arme Leute, die dasselbe oder gar noch größere Krankheit und Ungemach zu ertragen und niemand haben, der ihnen (auch nur) kaltes Wasser gäbe? Sie müssen das trockene Brot suchen in Regen, Schnee und Kälte, von Haus zu Haus. Drum, willst du getröstet werden, so vergiss derer, denen es besser geht, und gedenk immerzu derer, die übler daran sind" (107,18ff).
(Wir können das ohne Mühe auf die Notleidenden der Ostblockländer und der Dritten Welt übertragen).