Alles eigene Bemühen um Gelassenheit hat seine Grenzen. Unbewusste Mechanismen, unerkannte Fixierungen halten mich oft fest - und lassen mich falsche Bindungen nicht einmal erkennen. Und erst dort, wo ich von etwas losgelöst werde, erkenne ich spätestens an der Tiefe meines Verwundetseins, wie fest ich gebunden war. Dieses Losgelöst - Werden ist immer ein zutiefst schmerzhafter Prozess, in dem Gott das Werk vollendet, das er begonnen hat (vgl. Phil 1,6). Und erfahrungsgemäß wartet er oft jahrelang geduldig, bis ich mein "Ja" gesagt habe. Doch dann übernimmt er die Führung und löst mich dort los, wo ich selbst es nicht fertiggebracht habe. Ich glaube, dass diese "Lösung" zutiefst etwas mit der konkreten "Erlösung" zu tun hat, an der ich immer mehr Anteil bekommen soll. Aber um sie wirklich zu erfahren, ist mein freies "Ja, Vater" - wie bei Jesus selbst - ein notwendiger ("not-wendender") Schritt. Dieses Ja hat verschiedene Gestalten. Wir sagten schon: Wo ich mich irgendwo "um Gottes willen" freiwillig von etwas löse (Vgl. Woche 5 und 6), ist dies wie eine Bereitschaftserklärung, eine Vollmacht, die ich Gott ausstelle, dass er nun weiterführen möge, was ich vorläufig und oft nur zu stümperhaft begonnen habe. Das gleiche gilt für jedes konkrete "Ja, Vater", zu dem ich mich in einem konkreten Schmerz durchringe. Nach den Versuchen eigener Loslösung, die so selten gelingen, und der Loslösung, die Gott selbst wirkt, zielt Gott auf einen dritten Schritt: dass ich nun in einer freien Übernahme des göttlichen Willens in Freiheit das tue, was vorher mir zu tun unmöglich war.* Habe ich mich ihm ganz übergeben - brauche ich mich auch nicht mehr darum "zu kümmern, was er mit dem Seinen tue" (69,25f).
"Es ist besser, dass sich der Mensch von Gott führen lasse, als dass er sich selbst in Leiden versetze."
Ich meditiere eine Hochgebirgswanderung, bei der ich mich an einer gefährlichen Stelle dem Bergführer anvertraue... und übertrage das auf mein geistliches Leben mit seiner Führung durch Gott selbst...
"Wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst" (Joh 21,18).
- Mein Gott, der mich führen möge, wohin er mich haben will -
"Führe mich auf den Felsen" - "der mir zu hoch ist" (Ps 61,3).
"Und so erachte ich dies als besser denn alles: dass sich der Mensch gänzlich Gott überlasse, so dass, wenn immer Gott irgend etwas ihm aufbürden wolle, sei's Schmach, Mühsal oder was es sonst für ein Leiden sei, er es mit Freuden und Dankbarkeit hinnehme und sich mehr von Gott führen lasse, als dass der Mensch sich selbst darein versetze" (80,27ff)."Das Evangelium sagt: 'Wer sich erniedrigt, der wird erhöht werden' (Mt 23,12; Lk 14,11)... (Der Mensch) soll sich selbst 'erniedrigen', und das eben kann nicht genugsam geschehen, Gott tue es denn" (95,11ff).
"(Das) Vernichten und Verkleinern seiner selbst (mag).. noch so groß sein, es bleibt mangelhaft, wenn Gott es nicht in einem selbst vollendet" (95,2ff).
* Daran wird deutlich, weshalb Meister Eckehart so großen Wert legt auf das angenommene Leiden: Nur in meinem freien Ja, zu dem mich Gott vor-"bereitet" hat, kommt meine Freiheit.