Wahres Leben, so wie es Meister Eckehart im Blick hat, besitzt eine neue Qualität dem gegenüber, was wir normalerweise als Leben ansehen. Rückschauend auf verschiedene Stationen meines Lebens kann ich sehr wohl unterscheiden, wann ich wahrhaft "gelebt" habe und wann nicht. Das hängt nicht ab von der Stimmung, in der ich mich damals befand - wohl aber von der Übereinstimmung meines äußeren Lebens mit meiner inneren Stimme, die mich von innen her leitet und lenkt. Meister Eckehart hält die Übergabe des eigenen menschlichen Willens an Gott für den entscheidenden Schlüssel der Gelassenheit, für den entscheidenden Schlüssel für gelingendes geistliches Leben überhaupt. "Leben" wird dadurch qualifiziert, dass sich mein Wille in Übereinstimmung befindet mit dem "Willen Gottes". Dabei schließt für Meister Eckehart der Begriff "Wille" viel mehr ein als für uns: Wille ist die innere Lebensquelle des Menschen, das Lebenszentrum, aus dem heraus seine Handlungen entspringen. "Wille" ist bei Meister Eckehart austauschbar mit "Liebe". So ist für ihn das Ziel aller Gelassenheit das Loslassen des eigenen Willens in den Willen Gottes hinein - dazu aber macht mich letztlich nur die Liebe fähig: "Die Leute sagen:... 'Mit mir wird's niemals recht, wenn ich nicht da oder dort bin und so oder so tue...' Wahrlich, darin steckt überall dein Ich und sonst ganz und gar nichts. Es ist der Eigenwille, wenn zwar du's auch nicht weißt oder es dich auch nicht so dünkt" (55,14ff).
"Wo du dich findest, da lass von dir ab, das ist das Allerbeste" (56,28f).
Das Geheimnis des Glücks liegt oft einfach darin, dass ich annehme, was nicht zu ändern ist - dass ich mich nicht nur damit abfinde. Habe ich schon erlebt, dass mit meinem Ja-Sagen zu einem Geschehen dieses sich in einem anderen Licht zeigte?... Wogegen ich mich wehre, verschließt sich vor mir in seinen positiven Seiten. Was schon jeder auf menschlicher Ebene erfahren kann, nimmt Meister Eckehart auf und gibt ihm eine neue Deutung von der Liebe Gottes her: "Niemals steht ein Unfriede in dir auf, der nicht aus dem Eigenwillen kommt, ob man's nun merke oder nicht" (55,23ff).
"Soviel bist du in Gott, soviel du in Frieden bist" (100,15).Wieweit bin ich im Frieden?...
"Als Sankt Paulus viel mit unserem Herrn redete und unser Herr viel mit ihm, da trug das alles nichts ein, bis er den Willen aufgab und sprach: 'Herr, was willst du, dass ich tue?' (Apg 9,6)... Sobald (Maria) ihren Willen aufgab, ...empfing sie Gott auf der Stelle" (69,5ff).
- Heiliger Geist, du Liebeskraft, der Gottes Willen zu meinem werden lässt -
"Dein Wille" - "werde"...
"Darum sprach unser Herr: 'Selig sind die Armen im Geist' (Mt 5,3), das heißt: an Willen. Und hieran soll niemand zweifeln: Gäb's irgendeine bessere Weise, unser Herr hätte sie genannt, wie er ja auch sagte: 'Wer mir nachfolgen will, der verleugne zuerst sich selbst' (Mt 16,24); daran ist alles gelegen" (56,14ff).