Religiöser Fanatismus begegnet uns in den verschiedensten Gestalten und gehört wohl mit zum Schlimmsten, was die Menschheit heute zu bieten hat. Wir brauchen da nicht nur auf fanatische Moslems zu schauen. Wir sollten uns fragen: Wo liegen solche Gefahren in uns selbst?Im Hintergrund solcher Extreme steht immer die Meinung, dass es nur einen einzigen wahren und richtigen Weg gibt, dass ich diesen Weg gefunden habe - und dass es nun meine Aufgabe ist, alle anderen Menschen zu dieser Wahrheit zu bekehren. Fragen wir uns ganz ehrlich, ob wir nicht in unserem Leben zu irgendeiner Zeit auch so gedacht und uns so verhalten haben? Ich selbst weiß es noch ziemlich genau, wie ich erschrocken und verunsichert war, als ich entdeckte, dass der Weg, der sich für mich als der einzig richtige erwiesen hatte, der mich glücklich gemacht und mit Gott in Berührung gebracht hatte - dass dieser Weg für andere Menschen durchaus nicht so einzigartig und hilfreich war wir für mich selbst.
Ebenso groß ist die andere Gefahr, die Meister Eckehart erlebt und sieht: dass ich nie zufrieden bin mit meinem Weg, sondern ständig nach einer besseren "Weise" schiele.
Meister Eckehart geht diesen Gefahren auf den Grund: Wenn Gott allein die ganze Wahrheit ist und diese allein in sich trägt, dann sind alle anderen Wahrheiten nur Teile dieser einen Wahrheit, Spuren davon, Wege dahin. Wo ich einen Teil aber absolut setze, dort führt er mich nicht hin zu dieser Wahrheit, sondern trennt mich von ihr.
"Wechsel der Weise macht Weise und Gemüt unstet."
Wenn du einen Brunnen graben willst, dann muss du immer an der gleichen Stelle weiter in die Tiefe graben. Wenn du immer an neuen Stellen beginnen würdest, dann kämst du nie zum Wasser (dieses Wort wird Meister Eckehart zugeschrieben).
Jesus sagt im Anhang des Johannesevangeliums zu Petrus, der auf die besondere Stellung des Lieblingsjüngers Johannes schaut: "...was geht es dich an? Folge du mir nach!" (Joh 21,22)
- Mein Gott, dem ich am nächsten komme auf meinem eigenen Weg -
"Du"... (Was mir durch Kopf oder Sinn geht, dabei bleibe ich).
"Man findet Leute, denen schmeckt Gott wohl in einer Weise, nicht aber in der andern, und sie wollen Gott durchaus (nur) in einer Weise des Sichversenkens besitzen und in der andern nicht" (176,25ff)."Ein jeder behalte seine gute Weise und beziehe alle (anderen) Weisen darin ein und ergreife in seiner Weise alles Gute und alle Weisen. Wechsel der Weise macht Weise und Gemüt unstet" (79,5ff).