Meister Eckehart kann sich nur deshalb Gott so vorbehaltlos überlassen, weil er sich dessen gewiss ist, dass Gott die Güte und die Liebe ist und dass er nichts anderes tun kann als das, wozu ihn seine Liebe treibt. Wenn Gott wahrhaft Gott ist, dann relativiert das auch sein menschliches Urteil über das, was wirklich gut ist: er glaubt an Gottes Liebe, die sein Verstehen weit übersteigt. Gleichzeitig weiß Meister Eckehart, dass alles, was ist, nur dadurch im Sein gehalten wird, dass Gott "in den Dingen geblieben" ist (vgl. Woche 2, Tag 5.). Dieser "sein geliebter Gott" ist anwesend in allem, was ihm geschieht, um seinen Liebeswillen zu verwirklichen. Als Meister Eckehart gefragt wird: Woher weiß ich, ob etwas der Wille Gottes ist oder nicht?, antwortet er aus seinem tiefen Glauben heraus: "Wisset: wäre es Gottes Wille nicht, so wäre es auch nicht." Ich brauchte lange, bis ich das einigermaßen zu verstehen begann - einen Hinweis gab mir der Zusammenhang: Die ganze Predigt steht unter dem Grundgedanken: "Nun gebt acht! Ihr müsst dies wissen: Die Menschen, die sich Gott überlassen und mit allem Fleiß seinen Willen suchen, was immer Gott einem solchen Menschen gibt, das ist das Beste; sei dessen so gewiss, wie dass Gott lebt" (168,6ff). Es geht also um einen geheimnisvollen Zusammenklang verschiedener Wirklichkeiten: Da ist die liebende Hingabe des Menschen an Gott - da ist die Realität, in der er sich vorfindet - und über allem steht die Zuwendung Gottes zu diesem Menschen. Indem ein Mensch aus Liebe zu Gott zu einem Geschehen "ja" sagt und es von ihm annimmt, wird dieses Geschehen für diesen Menschen zum Segen.
"Wer Gott im Sein hat, dem leuchtet er in allen Dingen" (60,26f).
(und damit auch in allem, was mir geschieht).
Es gibt viele Weisen, um der Realität meines Lebens auszuweichen oder vor ihr zu fliehen. Setze ich etwa auch häufig "Brillen" auf, um die Wirklichkeit "gefärbt" zu sehen? - eine rosarote oder eine dunkle - ? Gott aber finde ich nicht in meinen Vorstellungen von der Welt, sondern dort, wo ich mich der Realität stelle - mit ihren hellen und mit ihren dunklen Seiten - und wo ich Gott darin suche und ergreife.
"Sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles" (Eph 5,20).
- Mein Gott, an dessen Liebe ich glauben darf, in allem, was mir begegnet oder geschieht -
"Du" - "in allem"...
(Wem das zu abstrakt bleibt, kann ein bestimmtes Ereignis des vergangenen Tages vor Augen haben - und es mit den Kontemplationsworten "durchbrechen" - um "Gottes Liebe darin zu ergreifen").
"Wo das Herz Gottes voll ist, da können die Kreaturen keine Stätte haben noch finden. Daran aber soll's uns nicht genügen; wir sollen uns alle Dinge in hohem Maße zunutze machen, sei's was immer es sei, wo wir sein, was wir sehen oder hören mögen, wie fremd und ungemäß es uns auch sei. Dann erst sind wir recht daran und nicht eher. Und nimmer soll der Mensch darin zu Ende kommen; vielmehr kann er darin ohne Unterlas wachsen und immer mehr erreichen in einem wahren Zunehmen" (62,12ff).