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als Erlösung |
Einführung |
1. Gegenwärtigsetzen des Passionsgeschehen.
2. "Mitsterben" mit Christus.
3. Wissen der Volksfrömmigkeit.
4. Ein Karfreitagserleben besonderer Art.
5. Mitgehen mit Christus
Gegenwärtigsetzen des Passionsgeschehen.zurück zur WochenübersichtMit der Karwoche treten wir in das innerste Heiligtum des Erlösungsgeschehens ein. Seit meiner Konfirmandenzeit sind für mich die Kar- und Ostertage im Jahr ganz entscheidende Tage. Mit dreizehn Jahren hatte ich am Karfreitag erstmalig deutlich das Gefühl, das Leidensgeschehen Jesu sei unmittelbar gegenwärtig.
Viel später lernte ich die katholische Lehre von der "Gegenwärtigsetzung des Passah - Geschehens" in der Eucharistiefeier kennen. Was ich persönlich über Jahre hin in den Kar- und Ostertagen erlebt hatte, ohne es verstandesmäßig fassen zu können, war für mich in diesen Worten ausgesprochen. Hier war mein Erleben ins Wort gebracht, der Graben der zweitausendjährigen Geschichte war überbrückt; was damals geschah, war für mich heute und hier heilbringende Gegenwart...
In den letzten Jahren fand ich ähnliche Gedankengänge bei Meister Eckehart wieder, der sie philosophisch durchdringt: Was in der Ewigkeit Gottes geschieht, steht jenseits unseres Erlebens von Raum und Zeit - und ist deshalb "allgegenwärtig". Was sich so tief im "göttlichen Raum" abspielt wie Tod und Auferstehung Jesu, das berührt etwas von der Ewigkeit Gottes und ist deshalb nicht eingegrenzt in unser normales Erleben von Raum und Zeit.
"Mitsterben" mit Christus.zurück zur WochenübersichtIn unzähligen Varationen spricht der ApostelPaulus in seinen Briefen davon, daß der Christ ein "Mit-Leidender", ein "Mit-Gekreuzigter"- ein "Mit-Sterbender" - (und dadurch auch ein "Mit-Auferstandener", ein "Mit-Lebender") mit Christus sein und werden müsse. Die ungewöhnlichen Wortverbindungen hat Paulus geschaffen, um etwas in Worte zu fassen, für das es damals im Griechischen noch keine Worte gab: Der Christ darf in seinem Leben ein Stück der Passion Jesu Christi "gegenwärtigsetzen"...
Wissen der Volksfrömmigkeit.zurück zur WochenübersichtGanz tief hat die Volksfrömmigkeit schon seit langem begriffen, wie eng das "Kreuz" eines Christen mit dem Kreuz Jesus Christi verbunden ist... Gerade ganz einfache Menschen können ganz schlicht sagen: "Ein jeder muß halt sein Kreuz tragen". Ich hörte dies Wort einmal aus dem Munde einer ganz schlichten, frommen Frau. Sie war Epileptikerin und wußte, daß ein weiterer Anfall für sie das Ende ihrer Arbeitsmöglichkeit und die Aufnahme in ein Heim bedeuten würde. Es hat mich tief bewegt, wie diese schlichte, fromme Frau die Tiefe des christlichen Glaubens begriffen hatte, als sie nach einem neuen schweren Anfall dieses Wort sagte - ohne Wenn und Aber. Ich mußte dabei an ein Pauluswort denken: "Die Liebe ergründet alles, auch die Tiefen der Gottheit". (nach 1 Kor 2,9 und 10).
Ein Karfreitagserleben besonderer Art.zurück zur WochenübersichtVielleicht hilft ein persönliches Erleben noch von einer anderen Seite her zum Verständnis der vor uns liegenden Aufgabe:
Vor Jahren hatte ich ein Karfreitagserleben besonderer Art: Ich befand mich in einer inneren Krise, die ich weder deuten noch von mir aus überwinden konnte. Immer neu suchte ich nach Möglichkeiten der Hilfe oder wenigstens einer möglichen Deutung für mich. Da las ich in der Nacht zum Karfreitag - wie ich es oft tue - die Leidensgeschichte Jesu. Und plötzlich stand beim Schauen auf die Begegnung Jesu mit der der tragischen Judasfigur ein Wort vor mir, was in unserer Sprache längst zur Redensart geworden ist: "verraten und verkauft". Dieses Wort nun traf damals genau in mein Erleben hinein - genau so fühlte ich mich in meinem Zustand. Worte, die zur Redensart werden, machen deutlich, daß sich in ihnen ein Geschehen "ausdrückt", welches ein "urmenschliches Erlebensmuster" anspricht; - sie deuten auf etwas hin, was Menschen zu allen Orten und Zeiten erleben können. Dieses Bild nun ließ mich meine damaligen Gefühle erkennen und brachte sie ins Wort. Ich spürte dem nach und tastete weiter: Vor einiger Zeit hatte ich mich eines Tages wie "zum Tode verurteilt" gefühlt....: "Verraten und verkauft" - "zum Tode verurteilt": das waren zwei wesentliche Bilder aus dem Leidensweg Jesu - wenn das nun kein Zufall gewesen sein sollte...?
Im weiteren Darüber-Beten fand ich meinen damaligen Zustand fast in all den aufeinanderfolgenden Ur-Bildern der Leidensgeschichte Jesu wieder, für mich hautnah gespiegelt in meinem eigenen Erleben und Erfahren... Allerdings - das wurde mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig - handelte es sich dabei um ein Erleben, für das ich niemandem außer mir selbst irgendeine "Schuld" geben konnte - wenn hier überhaupt von "Schuld" die Rede sein konnte... Das unterschied mein Erleben von dem, was Jesus erfuhr... Was konnte das bedeuten? Plötzlich ahnte ich existentiell etwas davon, daß sich die Leidensgeschichte Jesu auch im Leben eines heutigen Menschen wirklichkeitsträchtig spiegeln kann... M. Quoist sagt: "Der Leidensweg Jesu geht weiter"...
Für mich folgte daraus eine wichtige Erkenntnis: Ich durfte alle meine inneren und äußeren Krisen auch ein wenig in dieser Blickrichtung sehen: Christus will in mir ein Stück seines Leidens- und Auferstehungsweges heute und hier "gegenwärtigsetzen" - ungeachtet und trotz all meines eigenen Versagens und meiner eigenen Verschuldungen, die mich in diese Situation gebracht hatten und die ich mir selbst bis dahin so oft nicht verzeihen konnte....
Solche Gedanken halfen mir dazu, mich ein wenig aus der Verstrickung des Um-Mich-Selbst-Drehens zu befreien. Denn je tiefer eine Krise ist, desto größer ist auch die Gefahr, nur noch auf sich selbst zu starren. Zu beweisen sind solche Gedanken nie - aber wenn sie Kräfte freisetzen, die heilend wirken, dann darf ich glauben, daß Gott in ihnen und durch sie hindurch wirkt...
Unter diesem Aspekt erlebte ich gerade im Jahr meiner tiefsten Krise das Karfreitags- und das Ostergeschehen in einer Tiefe, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. Wenn es nicht nur mein eigenes Leiden war, was mich da überfallen hatte, sondern wenn darin auch nur ein kleines Stück des Erlösungsweges Jesu Christi "in mir" und "für mich" erfahrbar wurde - dann bekam alles einen ganz neuen und tiefen Sinn. Und welcher Schmerz verliert nicht einen großen Teil seiner Bitterkeit, wenn er einen Sinn bekommt - wenn er mich in eine geheimnisvolle, aber wahre Verbindung zu demjenigen bringt, den ich gern lieben möchte - in all meiner Schwachheit? Noch einmal ganz neu war für mich die Entfernung zwischen dem Geschehen in Jerusalem vor 2000 Jahren und dem "Heute" und "Hier" meines Lebens verschwunden: Genau diese wahre Verbindung meines eigenen Erlebens mit dem Leidensweg Christi war es, die mich neu verstehen ließ, was Kreuz und Erlösung Christi für mein Leben meinen könnte.
Mitgehen mit ChristusWir wollen nun in dieser Übungswoche einzelnen Stationen des Weges nachgehen, der Jesus an das Kreuz geführt hat. Wie kaum ein anderer Teil der Bibel stellt uns die Passionsgeschichte Jesu Bilder vor Augen, die archetypischen Charakter haben, die sich so tief in uns einprägen, wie das nur solche Urbilder bewirken können. Diese Bilder wirken tief in unser Innerstes hinein, treffen dort auf Vergleichbares, was auch in jedem von uns, in jeder menschlichen Seele ruht - mit seinen Gefahren und mit seinen Erlösungsmöglichkeiten. Nur was ans Licht kommt, was mit Christus in Berührung kommt, kann verwandelt werden. Darum geht es in dieser Woche, daß wir uns diesem Verwandlungsprozeß aussetzen - anhand einzelner "Bilder" des Passionsweges Jesu.