Hinführung:

Urbilder der Leidensgeschichte Jesu sind es, die von Künstlern immer wieder aufgegriffen und gestaltet werden. Dazu gehört auch die Szene, in dem Jesus nach seinem harten Gebetskampf mitten in der Dunkelheit der Nacht seine Verfolger auf sich zukommen hört. Aus der Gruppe löst sich eine Gestalt und tritt auf ihn zu, gibt ihm den Kuß der Freundschaft. Es ist einer der Zwölf, einer seiner Jünger, die jahrelang alles mit ihm geteilt hatten.

Es sind ja nicht die uns Fremden, die uns die tiefsten Schmerzen zufügen, sondern immer diejenigen, die uns nahestehen, denen wir vertraut, denen wir uns anvertraut haben. Albert Schweizer berichtet von einem Mitschüler, der ihn verraten hat: Noch viele Male später ist er von Freunden verraten worden, aber geschmerzt hat dieses Ersterlebnis wie kein späteres.

Immer wieder erfahre ich es in seelsorgerlicher Begleitung, wie Menschen gerade dadurch leiden, daß sie durch ihre nächsten Angehörigen Schmerz erfahren oder sich im Stich gelassen fühlen.

Christusmeditation:

Ich nehme mir Zeit, um mich ganz in Jesus einzufühlen, was er im Augenblick gefühlt haben mag, als Judas ihn begrüßte mit dem Wort: "Gegrüßet seist, du, Rabbi" - und aus welchen Bereichen seines Herzens seine Antwort kam: "Mein Freund, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuß?"... Ich ahne und gebe dieser Ahnung in mir Raum, wie Jesus mit dieser Hinwendung zu Judas, mit seiner Liebe zu ihm gewissermaßen durch das Heillose, was Judas bestimmte, hindurchgestoßen ist... Von der Herzmitte aus hat er das Böse, was seinen Lebensbalken abschließen wollte, aufgebrochen - und durch das Heillose hindurch den Weg zum Heil, zu Gott hin geöffnet... Nur so konnte Gott selbst den Verrat des Judas einbeziehen in sein Erlösungswerk...

Lebensmeditation:

Ich spüre in meinem Leben zurück, horche in meine Erfahrungen hinein:

- Wo habe ich Schmerzen gerade durch die Menschen erfahren, welchen ich mich am tiefsten verbunden fühlte, welchen ich unmittelbaren Zugang zu meinem Herzen gewährt hatte?...

- Habe ich mich in meinem Leben schon einmal wie "verraten und verkauft" gefühlt?...
 

Verbindung mit Christus:

Ich öffne die tief in mir angelegte Verbindung zu Ihm, der in mir wohnt, auch als der von Judas Verratene: Ich fühle mit ihm und lasse ihn mit mir fühlen, lasse mein eigenes Erleben durch die Verbindung mit dem Erleben Jesus von seiner Realität "durchblutet" werden...

Biblische Meditation:

"Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir aich mit ihm leben"... (2 Tim 2,11)