Christliche Meditation
Kreuz 
als Erlösung
Vierte Übungswoche
Einführung




Einführung in die vierte Übungswoche.
1. Zentrales Anliegen christlichen Meditierens: Mich-Prägen-lasssen von Christus.
2. Die Kreuzgestalt Jesu Christi

Zentrales Anliegen christlichen Meditierens: Mich-Prägen-lasssen von Christus.
In der vierten Übungswoche beginnt ein zentrales Anliegen christlicher Meditation: Ich schaue innerlich auf den Herrn. Nach Augustinus verwandelt sich der Mensch in das, was er liebend anschaut. Indem ich meditierend, verweilend auf Christus schaue, prägt sich dieses geschaute Bild in mich ein und "prägt" mich von innen her. So werde ich mehr und mehr eine "geprägte Persönlichkeit" - aber nicht irgendwie geprägt und geformt, sondern vom Bilde Jesu Christi.

Der Gedanke von der Prägung (griechisch "typos") stammt aus der Bibel: Nach der Apostelgeschichte (7,44) bildeten bereits die Israeliten ihre Stiftshütte nach "dem Vorbild (= typos), welches Mose 'gesehen' hatte". Wir alle sollen "gesinnt sein, wie Jesus Christus auch war" (Ph 2,5), damit wir in dieser Weise mehr und mehr zum geprägten und prägenden Vorbild für andere werden können: Paulus nimmt für sich in Anspruch: "wir wollten uns selbst euch zum Vorbild ("typos") geben, damit ihr uns nachfolgt."(2 Thess 3,9) Das gilt nicht nur für Paulus: "so daß ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja", schreibt Paulus an die Christen in Tessalonich (1 Thess 1,7).

Es ist nicht gut, wenn unser Glaube nur etwas uns von außen "Angeheftetes", etwas "Angelerntes" ist, sondern er soll uns von innen her durchdringen. Er sollte sich so mit uns verbinden, daß wir ohne Zwischenschaltung des Verstandes spüren, denken und tun, was "Christus - gemäß" ist...

Ich bringe gern das Beispiel eines Autofahrers, der erst dann wirklich fahren kann, wenn der Fuß von selbst auf die Bremse tritt, sobald eine Gefahr auftaucht, - ohne daß erst eine Überlegung des Verstandes zwischengeschaltet werden müßte. Ich selbst erlebte das Gemeinte einmal sehr eindrücklich, als mich jemand gefragt hatte, wo die Gänge in unserem Auto liegen. Nachdem ich es überlegt und ihm gesagt hatte, war die unbewußte Steuerung gestört, und ich wußte spontan beim nächsten Anfahren nicht mehr, wo der erste Gang lag - nachdem ich bereits über 10 Jahre in diesem Auto gefahren war.

Worum es geht, ist wohl auch für einen Nicht-Autofahrer deutlich geworden: Daß wir mehr und mehr in eine so enge Verbindung mit Jesus Christus kommen, daß wir spontan und unmittelbar in seinem Sinne handeln und entscheiden, ohne erst lange überlegen zu müssen, was in diesem Falle "christusgemäß" ist. Das ist natürlich nur ein Weg, der aus unendlich viel einzelnen Schritten besteht. Wir sind damit während unseres Lebens nie am Ziel - aber die einzelnen Schritte tun wir dort, wo wir regelmäßig meditierend auf den Herrn schauen, bis sich sein Bild uns einprägt, wie sich die Sonne dem Auge einprägt, das in die Sonne schaut. Meister Eckehart bringt dieses Beispiel: "Recht, wie wenn ein Mensch die Sonne lange ansähe: was er danach ansähe, darin erschiene das Bild der Sonne."

zurück zum Anfang
Die Kreuzgestalt Jesu Christi.

In diesem Schauen auf den Herrn geht es nun in der Thematik unseres Briefkurses speziell um Kreuz und Erlösung. Ich gehe von einer These aus: Wenn jeder Mensch schon in seiner leib-seelischen Struktur eine archetypische Kreuzform aufweist (s.o.Übung 2/1), dann müßte das an Jesus Christus, diesem einzigartig vollkommenen Menschen besonders deutlich aufleuchten. So möchte ich hier von dem Ansatz ausgehen, daß Jesus Christus in seinem Menschsein die Kreuzstruktur gelebt hat. Sein Leben war durch diese Kreuzstruktur "geordnet und ganz". Künstler haben es immer wieder gestaltet, daß bereits über der Krippe Jesu das Kreuz sichtbar wird. Das "Für euch" und das "Mit euch" des Kreuzes Jesu in Passion und Auferstehung war dann nur der End- und Zielpunkt seines gesamten Lebens: das symbolhafte Sichtbarwerden dieser inneren Struktur, die ihm als wahrem Menschen eignete - besser und vollkommener, als das in jedem anderen Menschen möglich geworden ist.

Diesem Thema kann man sich gewiß von unterschiedlichen Seiten her nahen. Für mich ergab sich ein Ansatzpunkt bei der Versuchungsgeschichte Jesu nach dem Lukasevangelium (Lk 4, 1-13): Dort setzt der Satan an und versucht, bereits vor Beginn des Wirkens Jesu, ihn in dieser kostbaren Struktur seines Lebens zu vernichten, um damit die gesamte Struktur seines Heilswerkes zu vernichten. Am Ende dieses Lebens, in der "Stunde der Finsternis" (Luk 22,53), entfaltet dann die Macht der Finsternis noch einmal ihre volle zerstörerische Gewalt und tritt vor aller Augen ans Licht.

Es wird sichtbar, was der Versucher bezweckt: Er möchte den Kreis um Jesus, den Kreis, der das "Kreuz seines Lebens" schützend und bergend umgibt, zur undurchlässigen Mauer machen. Solche Mauern sind ja Schutz, aber auch Grenzen oder gar Gefängnis. Wenn Grenzen nicht mehr durchlässig sind, wenn es keine Übergänge mehr gibt, dann ist der Mensch eingeschlossen - gefangen und eingesperrt. Und wenn es sich nicht nur um Grenzen handelt, die ein Land von der Außenwelt abschließen, sondern um einen befestigten Ring, der unser irdisch-menschliches Dasein von seinen Quellen und von seinem tiefsten Ziel abtrennt - wenn die Erde vom Himmel, der Mensch von Gott abgeschnitten wird, dann hat der Widersacher Gottes sein Ziel erreicht!

Von dieser Sicht her wurde es für mich immer deutlicher: Mußte nicht die Erlösung, die Christus uns geschenkt hat, auch darin bestehen, daß er gegen die Mächte der Finsternis diese Begrenzung nach allen Seiten hin durchbrochen hat? Wir könnten es so sehen:

- Christus durchbrach die Begrenzung des "Lebensbalkens" nach rechts, um den Weg zum eigentlichen, wahren Leben zu öffnen "Nicht vom Brot allein lebt der Mensch";

- Christus durchbrach die Begrenzung des "Himmelsbalkens" nach oben, daß er durch den irdischen "Himmel" hindurch zum "Himmel Gottes" offen sei: "Du sollst dem Herrn, deinem Gott, huldigen und ihm allein dienen" ;

- Christus durchbrach die Begrenzung des "Todesbalkens" nach links, damit er selbst Weg zum neuen Leben werde: "Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen";

- Christus durchbrach die Begrenzung des "Erdbalkens" nach unten, daß er in die Unterwelt den Ostersieg hineintrage: "Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist".

 Der Versucher setzt jeweils bei einem der Balken an und bewegt sich in linksläufiger Richtung vorwärts - in der Richtung des Todes, wie wir es schon bei der Meditation des blühenden Kreuzes sahen. Aber Jesus widersteht diesem Sog -und so wird am Kreuz nicht nur die Macht der Dunkelheit sichtbar, sondern in Korrespondenz dazu ebenso die Macht Gottes und des Lichtes, wo "Jesus siegt", wie unsere kirchliche Sprache sagt. Im harten Ringen um die Überwindung dieser zerstörerischen Potenzen vernichtet er diese am Kreuz nicht, sondern er stellt sie in seinen Dienst.

Und was bedeutet das für uns? Im meditierenden Schauen dieser Mysterien werden wir selbst in diese einbezogen. So kommt das "Für euch" und das "Mit euch" Jesu Christi in unserem Leben an, um es von innen her zu durchdringen.

So wollen wir in den ersten beiden Einheiten dieser Übungswoche das Menschsein Jesu in seinem "Ausgespanntsein zwischen Himmel und Erde", wie es jedem Menschen eigen ist, meditieren, um dann in den weiteren Übungseinheiten die vier "Kreuzesbalken" gesondert anzuschauen - so wie sie sich im Leben Jesu dargestellt haben und wie er mit ihnen umgegangen ist.


[zurück zum Anfang]
[zur Wochenübersicht]
[zum Wochenbild)
[zum Gesamt-Index]

[zum Kurzüberblick]

[weiter]

 
Datenschutz    |    Kontakt    |    Impressum