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als Erlösung |
Mittwoch |
Hinführung:Gestern und vorgestern haben wir uns mit dem Vertikalbalken befaßt - nun wenden wir uns wieder dem horizontalen Balken des Kreuzes zu. Die beiden Seiten dieses Balkens, der den Vertikalbalken "durchkreuzt" und ihm gerade dadurch seine Stabilität gibt (s.o.2/1), hatten wir in der vergangenen Woche als den "Vergangenheitsbalken" und den "Zukunftsbalken" ins Auge gefaßt. Heute möchte ich einen Schritt weitergehen, und diesen "Balken" als Symbol alles dessen sehen, was als Polarität im menschlichen Leben vorhanden ist.
Ob Ignatius von Loyola die Indifferenz anmahnt, die der Mensch auf seinem geistlichen Weg braucht, oder ob Meister Eckehart und mit ihm die Deutsche Mystik von der Gelassenheit spricht, die allein zu Gott führt, oder ob es noch auf andere Weise ausgedrückt wird - allen gemeinsam ist das Anliegen: Wenn Gott uns ganz will (ihn lieben "von ganzem Herzen"!), dann müssen jeweils beide Pole unseres polar strukturiertem Daseins in Gott einmünden können; dann darf ich Gott nicht nur in der Freude begegnen, sondern auch im Schmerz, nicht nur dort, wo mir etwas gelingt, sondern auch dort, wo ich versage, nicht nur im Geben, sondern auch im Nehmen, nicht nur in meinen aktiven Komponenten, sondern auch in meinen passiven Möglichkeiten. Oder anders gesagt: Dann darf mich nicht nur der eine Pol, sondern dann muß mich ebenso auch der andere Pol Gott näherbringen können. Nur so kann ich in allen Situationen meines Daseins den Weg zu Gott suchen und finden.
Wenn Jesus verheißt, daß derjenige, der um seinetwillen etwas verläßt, das Verlassene "hundertfach" und qualitativ neu geschenkt bekommt - nämlich in der Dimension Gottes, wenn wir daran glaubten und uns an solche Erfahrungen erinnerten - dann brauchte eigentlich niemand mehr krampfhaft ein bestimmtes Gut oder auch einen bestimmten Pol seines Lebens festzuhalten... Dann könnte das qualitativ Neue vielleicht gerade in der Ergänzung durch den anderen, durch den Gegenpol bestehen - und uns zu mehr Ganzheit verhelfen... (Beiträge der Teilnehmer/innen zu möglichen Polaritäten unseres Daseins auf S. 133ff)
Ich sinne dem nach, was für Polaritäten mein Leben besonders bestimmen, und ich notiere mir einzelne Punkte...
Ich mache mir bewußt, daß für den normalen Rechtshänder die linke Seite die passive, empfangende Seite ist und die rechte die aktive, gebende Seite. Dann suche ich mir aus den mir wichtigen Polen, die sich gegenseitig bedingen, ein Paar heraus, und lege alles Passive, Empfangende in meine linke Hand - und alles Aktive, Gebende in meine rechte Hand. So stelle ich mich hin wie eine Waage - und beobachte, ob sich beide Seiten die Waage halten, oder ob eine Seite schwerer belastet ist als die andere... Vielleicht kann ich die "Waage" ein wenig austarieren...
Ich stelle mich bewußt hinein in den "Raum Gottes" (vgl. Übung 1/1). Ich lasse die Grenzen durchlässig werden, an die mein menschliches Empfangen und mein menschliches Geben, mein menschliches Lassen und mein menschliches Tun notgedrungen stoßen. Ich öffne meine linke Hand weit, um mich von Gott beschenken zu lassen - lasse die Gabe durch mich hindurchströmen in meine rechte Hand - die ich mit der Handfläche nach außen zu jemandem hin wenden kann - und ich lasse die Kraft Gottes, die ich links empfange durch meine rechte Hand weiterströmen zu einem bestimmten Menschen hin oder in ein bestimmtes Anliegen hinein...