Hinweise zur Symbolmeditation
Überblick:
Vom Sinn des Symbolbildes
Vom Wesen des geistlichen Symbols
Vom Sinn des Symbolbildes
Nach ersten Stille- und Entspannungsübungen beginnen wir unsere Meditationskurse meistens mit irgendeiner Form der Symbolmeditation. Dabei ist "Symbol" alles, was als sinnenhaft erlebbare Wirklichkeit auf eine entsprechende geistige Ebene übertragen werden kann. Dinge, Tätigkeiten, Eigenschaften, Situationen können auf diese Weise zu Symbolen werden: "Weg", "Schwert", "säen", "Kontakt herstellen", "bitter", "weich", "vor einer Weiche stehen", "eine Brücke bauen" - das sind Beispiele solcher ins Symbolbild gefaßten typischen, wesentlichen Grunderfahrungen des Menschen, die man fast unendlich weiterführen könnte. Und umgekehrt ist alles Erlebbare aus solch ein wesentliche Grundelement zurückzuführen. Ein Beispiel: Als wir in einer kleinen Meditationsgruppe über diese Dinge sprachen, sagte eine Frau, die ein Molkereigeschäft leitet: "Das Symbol meines Berufes wäre dann also der ‘Händler’". Genau so war es gemeint.

Es ist das "Symbol" in diesem weiten Sinne, das uns immer wieder zum Wesentlichen zurückführt. Wer im Zufällig-Einzelnen das wesentliche Grundelement, die symbolische Grundform erkennt, für den bekommt alles Sein eine neue Tiefe und überhaupt eine neue Dimension. Denn alles, was symbolisch, was wesentlich ist, ist auch übertragbar auf andere Bereiche des Lebens. Doch nur dem Verweilenden erschließt sich das Geheimnis des Symbols. Wo ich meditierend vor einem Symbol verweile, dort beginnt das Entsprechende in mir mitzuschwingen, wie die A-Saite einer Violine mitschwingt, wenn eine schwingende Stimmgabel auf ihrem Klangkörper aufgesetzt wird.

In ähnlicher Weise kann jedes echte Symbol etwas zum Mitschwingen bringen

  • im Inneren meines Herzens,
  • im Erleben meiner zwischenmenschlichen Beziehungen,
  • im Schauen auf das Geheimnis Gottes.
Verdeutlichen wir das Gemeinte am Symbol des Schlüssels: Im Meditieren dieses Symbols kann mir vielleicht bewußt werden,
  • wie "verschlossen" mein Herz oft ist (menschliche Ebene),
  • wie "aufgeschlossen" gestern mein Mitarbeiter war (soziale Ebene),
  • daß Gott seine Geheimnisse manchem Menschen "erschließt" (geistliche Ebene).
Die Übertragungsmöglichkeiten sind nicht festgelegt. Dadurch birgt jede Symbolmeditation eine unerschöpfliche Fülle von Chancen neuer Erkenntnisse in sich.

Das gilt nicht nur von natürlichen Symbolen, sondern ebenso, ja in noch tieferem Maße, von den vielgestaltigen Symbolbildern der Bibel: Im meditierenden Verweilen vor den Bildern der Schrift warte ich, wo in mir etwas mitzuschwingen beginnt.

So enthüllt mir fast jeder Abschnitt der Bibel etwas von mir selbst, kann mich auf eine mitmenschliche Situation "ansprechen" und läßt mich ein kleines Stück Offenbarung Gottes erleben. Das alles geschieht aber nur, wenn ich mit dem Herzen zu hören vermag und wenn ich lange genug verweile. Deshalb mußten die Übungen der ersten beiden Wochen vorausgehen.


Vom Wesen des geistlichen Symbols
Wenn in unserer Zeit unter verschiedenartigsten Theologen ein neues Nachdenken über die entscheidende Funktion der Symbolbilder erwacht ist, so wird damit wieder eine alte christliche Tradition aufgenommen, die über Augustin zurückreicht. Sie weiß darum, daß der Mensch immer auf die Symbolsprache angewiesen ist, wenn er von religiösen Wirklichkeiten spricht. Das ist in der ganzen Menschheitsgeschichte nachweisbar. Für uns am deutlichsten zeigt es die Bibel. Sie spricht vom Anfang bis Ende in Bildern und Symbolen, nicht nur deshalb, weil im damaligen Palästina die Menschen bildhafter dachten und sprachen als wir heute in Europa, sondern deshalb, weil die Symbolsprache die einzig angemessene Aussagemöglichkeit für geistliche Wahrheiten ist.

Symbolworte und Symbolbilder benutzen eine sinnenhaft erfahrbare Wirklichkeit, um damit auf etwas hinzuweisen, was sonst für unser menschliches Denken im wahren Sinne des Wortes "unbegreiflich" wäre.

Meistens registrieren wir kaum mehr, wieviel Worte in der biblischen Sprache Symbolbilder sind. Fast jedes wichtige Wort des Vaterunsers zum Beispiel ist in diesem Sinne Symbol: "Vater", "Himmel", "Name", "Reich", "Wille", Brot", "Schuld". Auch wenn Jesus vom "Reich Gottes" spricht, tut er es nicht anders als in Gleichnissen und Metaphern: in Symbolbildern, weil davon anders zu reden letztlich gar nicht möglich ist.

Damit aber wird die Symbolfähigkeit des Menschen zur wichtigsten Voraussetzung, die Bibel in dem Sinne zu verstehen, wie sie ursprünglich gemeint war. Wie jedoch werde ich als rational geprägter Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts wieder symbolfähig? Wie gehe ich um mit der Symbolsprache der Bibel?

Die Antwort ist eigentlich sehr einfach: Wie sich eine Mathematikaufgabe dem Denken erschließt, so erschließt sich ein Symbol dem Meditieren. Die Meditation ist die angemessene Form des Umgangs mit dem Symbol. Das braucht nicht einmal durch bewußte Meditationsübungen zu geschehen. Das Symbol spricht beim unverbildeten Menschen die meditative Schicht seines Wesens an und bringt sie zum Klingen. So schließt sich der Kreis: Was im geistlichen Leben an Erfahrungen wächst, verdichtet sich im Symbolbild. So kann es weitergegeben werden. Aber nur derjenige, der es meditativ aufnimmt, versteht, was gemeint ist.

Dabei sind es fünf wesentliche Aspekte, die ein echtes Symbol kennzeichnen:

    Erstens - ein geistliches Symbol erschließt im Meditierenden seines Wesens, die sich dadurch für die Erfüllung durch Gott öffnen.

    Zweitens - ein geistliches Symbol hat wahren und echten Anteil an dem, worauf es symbolisch hinweist, und vermittelt dem, der sich meditierend darauf einläßt, Anteil an dieser Wirklichkeit.

    Drittens - ein geistliches Symbol weist weit über sich selbst hinaus: Die Wirklichkeit, auf die es zeichenhaft hinweist, übersteigt jedes Symbol unendlich.

    Viertens - jedes Symbol steht in der Gefahr, zum dämonischen Zerrbild zu werden, wo man es seines Hinweischarakters entkleidet und absolut setzt.

    Fünftens - die geistliche Wirklichkeit dagegen ist immer in Gefahr, zum abstrakten Prinzip zu verblassen, wo der Mensch meint, ohne Symbolbilder auskommen zu können.

Lassen Sie mich diese Aspekte - auf die wir im Verlauf unseres Kursangebotes immer wieder treffen werden - an einer Geschichte des Neuen Testamentes verdeutlichen. In der Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung nach Johannes 6 finden wir alle Aspekte eines geistlichen Symbols wieder - das ganze Kapitel umkreist meditierend diese Wundererzählung.

Erstens:
Ein geistliches Symbol erschließt im Meditierenden Dimensionen, die ihn für die Fülle Gottes öffnen. Eine archetypische menschliche Symbolsituation wird hier angesprochen: der menschliche Hunger. Wonach hungert der Mensch? Wonach hungere ich ganz besonders? Wenn ich diesen Begriff meditiere, dann erlebe ich, wie er die verschiedensten Bereiche menschlichen Lebens durchleuchtet. Was braucht der Mensch alles, um wahrhaft menschlich leben zu können, wie groß ist heute der "Hunger" vieler Menschen, ja der Menschheit überhaupt - bei weitem nicht nur nach Brot! Je tiefer ich in solcher Meditation meinen eigenen "Hunger", meine eigene tiefste Sehnsucht zugelassen und vor Gott offen hingelegt habe, desto tiefer werde ich für seine Verheißung empfänglich sein: "Ich bin das Brot des Lebens" (Vers 35).

Zweitens:
Ein geistliches Symbol hat und vermittelt wahren Anteil an dem, worauf es hinweist. Im Schauen auf Jesus kann ich die im Wort wahre und wirkliche "Realpräsenz" in mich aufnehmen: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben" (Vers 48;47).

Drittens:
Ein geistliches Symbol weist weit über sich hinaus, es bleibt zeichenhafter Hinweis auf etwas, das es unendlich übersteigt: Daß dieses "Brot" weit mehr ist als leibliche Nahrung, darum kreist das Meditieren dieses ganzen Kapitels. Das wird hier auf drei Ebenen deutlich:

    - Auf der ersten Ebene hat Jesus das "prophetische Symbol"des alttestamentlichen Manna-Wunders in der Wüste im Blick: Das "Brot vom Himmel", das "Manna in der Wüste" war das heilsgeschichtliche "Vor-Bild", das schon auf seine Erfüllung durch Jesus als wahres "Brot des Lebens" hinweist. Solche alttestamentlichen "prophetischen Symbole" malen uns heilgeschichtliche Botschaften oft in einer unüberbietbar anschaulichen und damit "begreifbaren" Weise vor Augen und helfen zum tieferen "Erfahren" dessen, was gemeint ist (Vers 31;32).

    - Auf der zweiten Ebene hat Jesus das "sakramentale Symbol" des eucharistischen Brotes vor Augen. Darin sieht er die ganze Erfüllung und zugleich Überschreitung des Brotsymbols. Hier ist beides vereint: der wahre Anteil, der im Symbol enthalten ist und vermittelt wird, und die Wirklichkeit, die gleichzeitig jedes sinnenhafte Zeichen weit übersteigt.

    - Auf der dritten Ebene wird schließlich im "eschatologischen Symbol" selbst diese - immer noch sinnenhaft-leiblich erfahrbare - Erfüllung noch einmal weit überschritten: "Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit" (Vers 51). Diese letzte, endzeitliche Erfüllung ist nicht mehr sinnenhaft greifbar. Das Tiefste, worauf das Symbol hinweist, steht noch immer aus. Das Bild vom "himmlischen Hochzeitsmahl" ist nur noch Zeichen für etwas, von dem wir nicht anders reden können als im Symbol.
    Bemerkung: Wir erleben hier die große Linie der Heilsgeschichte Gottes, der durch die Jahrhunderte seinen Weg mit seinem Volk geht. Da ist tiefe Einheit, Kontinuität. Und doch wird das gleiche auf immer neuer Ebene, in einer immer wieder neuen, das Alte qualitativ zurücklassenden Weise angeboten. Diese Kontinuität der Heilsgeschichte, die sich immer zwischen dem "Alten", dem "Neuen" in Christus und dem noch ausstehenden gänzlich "Neuen" der letzten Erfüllung bei Gott abspielt, bestimmt das ganze biblische Denken in einer oft übersehenen Weise.

Viertens:
Ein Symbol kann zum dämonischen Zerrbild werden, wo man es seines Hinweischarakters entkleidet und absolut setzt. Hier liegt die Wurzel dessen, was man in der Bibel als "Abgötterei" geißelt. Die Menschen waren gesättigt und wollten Jesus zum Brotkönig machen. Aber davor weicht er weit zurück. "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht" (Mt 4,4).
Fünftens:

Damit die geistliche Wirklichkeit, die Fülle, die Gott und den Menschen anbietet, nicht zum abstrakten Prinzip verblaßt, setzt Jesus das sakramentale Zeichen des Brotes der Eucharistie ein - und tut dies mit Worten, die Ärgernis erregen müssen: "Wenn Fleisch des Menschensohnes nicht eßt (wörtlich übersetzt: zerkaut) und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch", heißt es in Vers 53.

Geistlichen Symbolen in dem Sinne, wie wir sie hier in den Blick bekommen haben, werden wir im Verlauf unseres Kurses immer neu begegnen. Deshalb war diese ausführliche Einführung in das Wesen eines geistlichen Symbols an dieser Stelle wichtig.

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