Vielleicht kann uns ein Beispiel aus dem Zen, einer buddhistischen Meditationsweise, einen Weg zum Verstehen öffnen: In bestimmten Zen-Klöstern gibt der Meister seinem Schüler einen Rätselspruch, ein "Koan", zum Meditieren, der gedanklich nicht zu lösen ist. So kann er etwa die Aufgabe stellen: "Höre den Ton der rechten Hand." Indem der Schüler über Wochen oder gar Jahre hin versucht, eine Lösung zu finden und sich in der Meditation immer neu auf diese gedanklich nicht zu lösende Aufgabe einstellt, gerät er mehr und mehr in einen Zustand innerer Verzweiflung. Doch eines Tages öffnet sich für ihn ein neuer Weg des Erkennens, jenseits des Verstandes. Dieses Erkennen ist mit einer großen Freude verbunden, weil dadurch plötzlich alles Erkennbare in einem neuen Licht erscheint: Hier spricht der Buddhist von der "Erleuchtung".
Weshalb habe ich hier dieses Beispiel angeführt? Mir hat es - als Symbolbild - geholfen, besser zu verstehen, weshalb häufig gerade solche Menschen von Gott vor scheinbar unlösbare Probleme gestellt, so oft in geradezu "ausweglose" Situationen geführt werden, die sich ernsthaft um ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi bemühen. Vielleicht gibt Gott den Seinen darin so etwas Ähnliches wie einen "Koan des Lebens", damit sie lernen sollen, allein auf Gott zu vertrauen - ohne jeden Rückhalt und ohne jede Sicherheit? Wie ein Zen-Schüler die Dimension des Denkens zurücklassen soll, um zu neuer Erkenntnis fähig zu werden, so muß ein Christ eines Tages den festen Grund der menschlichen Sicherheiten loslassen ("Sprung des Petrus"), um wirklich zu lernen, was Glauben ist. Und das ist entscheidend wichtig, denn allein im Vollzug solchen vertrauenden Glaubens wird Gott zu einer Realität des Lebens. Hier lernen wir, auf Gott zu vertrauen, nicht nur in Gedanken und Vorsätzen, sondern mitten im wirklichen Lebensvollzug.
- Ich verweile meditierend dabei, wie ich selbst jetzt im Rückblick die damalige Situation anders sehen kann, als es damals möglich war ...
- Ich versuche zu erspüren, wie anders sich mein Leben für Gott darstellt als für mich selbst und was es bedeuten mag, der Führung Gottes mehr zu vertrauen als meiner eigenen augenblicklichen Einsicht und Erkenntnis ...
- Lacordaire: "Was bedeutet mir der Schiffbruch, wenn Gott der Ozean ist?"
- Matthäus 14,22-33 (Sinkender Petrus)