Woche  1 - Freitag

6. Durch bewußte Gebetshaltungen empfangsfähig werden
Hinführung
Wie wichtig die leibliche Dimension unseres geistlichen Lebens ist, davon war schon die Rede. Doch nur im eigenen Tun erschließt sich diese Erkenntnis mehr und mehr. Das soll heute das Anliegen der Übung sein.

Kann ich in echter Weise meinen Leib in mein Beten einbeziehen? Wer beim Beten in die spürbare Nähe Gottes geführt wird, dessen ganzes Sein strahlt oft tiefe Stille und Ruhe aus, ohne daß der Betende dies selbst gewahr wird. Er verharrt auch körperlich in tiefer Ruhe.

Nun kann ich die Nähe Gottes niemals durch bewegungslose Haltung "erreichen" - sie ist und bleibt immer freies Geschenk der Gnade. Aber ich kann mich diesem Angebot verschließen, indem ich durch körperliche Unruhe, durch ständiges Wechseln meiner Haltung unbewußt vor dieser Stille ausreiße. Ignatius rät dazu, eine Gebetshaltung bewußt einzunehmen und in dieser Haltung zu verharren, solange "ich das finde, was ich begehre". Gerade absolute körperliche Bewegungslosigkeit während der Gebetszeit hat sich für viele Menschen als Hilfe erwiesen, innerlich zur Ruhe zu kommen. Andere erfahren wiederum genau das Gegenteil: Ihre innere Unruhe ist so stark, daß sie leichter während einer gleichmäßigen Bewegung, etwa im langsamen Gehen, meditieren können als in völliger Stille. Wieder andere können sich gut sammeln, wenn sie schreibend beten. Ein jeder wähle das, was ihm am hilfreichsten ist.

Auf keinen Fall ist es für mein Beten unwesentlich, welche Gebetshaltung ich wähle. (Das gilt natürlich nur für die ausdrückliche Zeit des Betens - während des Tages kann ich in jeder Haltung mein Gebet weitergehen lassen.) In der Christenheit waren und sind viel mehr Gebetshaltungen gebräuchlich, als es der Durchschnittschrist heute vermutet.

Wenn ich mich bewußt in eine - mir vielleicht ungewohnte - Gebetshaltung hineingebe und hineinfühle, dann ist der Sinn solchen Übens, daß ich spüre, wie auch mein Leib selbst beten kann. Wenn ich in eine solche Haltung gewissermaßen hineinlausche, dann vermag ich vielleicht, diese eingenommene Haltung in einem kurzen Gebetssatz auszudrücken. Aber dazu braucht es Zeit, bis ich mich in die Besonderheit der jeweiligen Haltung so eingefühlt habe, daß sich daraus ein Gebetssatz formt.

Achtung: Bei dieser Übung sollte ich wirklich allein im Zimmer sein - allein mit Gott und vor Gott, um mich geben zu können, wie ich wirklich bin.

Übung
Gebetshaltungen, in die ich mich nacheinander einzufühlen versuche:

Variante
Ich lese betend Psalm 84 Vers um Vers - und suche zu einzelnen Versen jeweils eine entsprechende Körperhaltung, die ich einnehme. So lasse ich meinen Leib mit seinen Gesten und Ausdrucksmöglichkeiten den Psalm beten (hier liegt der Ursprung des sakralen Tanzes).

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