Wie wichtig die leibliche Dimension unseres geistlichen Lebens ist, davon war schon die Rede. Doch nur im eigenen Tun erschließt sich diese Erkenntnis mehr und mehr. Das soll heute das Anliegen der Übung sein.Kann ich in echter Weise meinen Leib in mein Beten einbeziehen? Wer beim Beten in die spürbare Nähe Gottes geführt wird, dessen ganzes Sein strahlt oft tiefe Stille und Ruhe aus, ohne daß der Betende dies selbst gewahr wird. Er verharrt auch körperlich in tiefer Ruhe.
Nun kann ich die Nähe Gottes niemals durch bewegungslose Haltung "erreichen" - sie ist und bleibt immer freies Geschenk der Gnade. Aber ich kann mich diesem Angebot verschließen, indem ich durch körperliche Unruhe, durch ständiges Wechseln meiner Haltung unbewußt vor dieser Stille ausreiße. Ignatius rät dazu, eine Gebetshaltung bewußt einzunehmen und in dieser Haltung zu verharren, solange "ich das finde, was ich begehre". Gerade absolute körperliche Bewegungslosigkeit während der Gebetszeit hat sich für viele Menschen als Hilfe erwiesen, innerlich zur Ruhe zu kommen. Andere erfahren wiederum genau das Gegenteil: Ihre innere Unruhe ist so stark, daß sie leichter während einer gleichmäßigen Bewegung, etwa im langsamen Gehen, meditieren können als in völliger Stille. Wieder andere können sich gut sammeln, wenn sie schreibend beten. Ein jeder wähle das, was ihm am hilfreichsten ist.
Auf keinen Fall ist es für mein Beten unwesentlich, welche Gebetshaltung ich wähle. (Das gilt natürlich nur für die ausdrückliche Zeit des Betens - während des Tages kann ich in jeder Haltung mein Gebet weitergehen lassen.) In der Christenheit waren und sind viel mehr Gebetshaltungen gebräuchlich, als es der Durchschnittschrist heute vermutet.
Wenn ich mich bewußt in eine - mir vielleicht ungewohnte - Gebetshaltung hineingebe und hineinfühle, dann ist der Sinn solchen Übens, daß ich spüre, wie auch mein Leib selbst beten kann. Wenn ich in eine solche Haltung gewissermaßen hineinlausche, dann vermag ich vielleicht, diese eingenommene Haltung in einem kurzen Gebetssatz auszudrücken. Aber dazu braucht es Zeit, bis ich mich in die Besonderheit der jeweiligen Haltung so eingefühlt habe, daß sich daraus ein Gebetssatz formt.
Achtung: Bei dieser Übung sollte ich wirklich allein im Zimmer sein - allein mit Gott und vor Gott, um mich geben zu können, wie ich wirklich bin.
Gebetshaltungen, in die ich mich nacheinander einzufühlen versuche:
- Ich stehe aufrecht mit erhobenen Händen und nach oben gewandtem Blick...
- Ich stehe aufrecht mit nach der Seite ausgestreckten Armen, die Handflächen sind nach oben geöffnet ...
- Ich sitze aufrecht auf der vorderen Kante eines einigermaßen harten Stuhles, die Beine stehen mit etwas Abstand nebeneinander fest auf dem Boden - die Hände sind geöffnet, wie eine Schale (linke Hand auf der rechten) vor den Leib gelegt, die Daumen berühren sich ...
- Ich sitze mit gefalteten Händen und gebeugtem Oberkörper auf dem Stuhl...
- Ich knie aufrecht auf dem Boden, die Hände vor der Brust zusammengelegt, der Kopf ist aufrecht, ruht auf dem Hals ...
- Ich knie und stütze die Ellenbogen auf eine Unterlage (etwa in Brusthöhe) und lege das Gesicht in die offenen Handflächen ...
- Ich knie auf dem Boden, lege meinen Kopf mit der Stirn auf den Boden ...
- Ich liege flach mit dem Bauch auf dem Boden, die Hände locker neben dem Körper ...
- Ich liege flach mit dem Bauch auf dem Boden, die Arme sind seitwärts ausgestreckt ...
- Ich liege flach mit dem Rücken auf dem Boden, locker, aber gerade (ohne Kopfkissen!), die Hände ganz gelockert sich selbst überlassen ...
Ich lese betend Psalm 84 Vers um Vers - und suche zu einzelnen Versen jeweils eine entsprechende Körperhaltung, die ich einnehme. So lasse ich meinen Leib mit seinen Gesten und Ausdrucksmöglichkeiten den Psalm beten (hier liegt der Ursprung des sakralen Tanzes).