Immer geht es darum, daß ich
das, was ich meditiere, ganz tief in mich einlasse - in die Schicht der
Bilder, in die Schicht der Gefühle und Emotionen, in das, was die
Bibel „Herz" nennt.
Meditieren heißt: Von außen
nach innen gehen, die Mitte finden, das Wesen der Dinge in den Blick bekommen
und dabei die eigene Mitte finden:
Einen „Weg" kann ich betreten - meinen Lebens"weg" kann ich anschauen - den „Weg" Gottes mit seinem Volk kann ich zum Inhalt meiner Anbetung werden lassen: Das gleiche Wort „Weg" auf drei verschiedenen Ebenen weist daraufhin, daß es da verborgene „Entsprechungen" gibt. Das Wort wird zum Symbol, das mir hilft, Wirklichkeiten dieser verschiedenen Ebenen miteinander ins Gespräch („entsprechen"!) kommen zu lassen. Das geschieht in der Symbolmeditation. Eine Symbolmeditation ist hier häufig als Grundmeditation verwendet. Sinn der Grundmeditation ist es, mich an der Stelle innerlich zu öffnen, wo ich vielleicht für das Anliegen dieses Textes ansprechbar sein könnte. Sie wäre etwa vergleichbar mit dem Stimmen eines Instrumentes, ehe es im Orchester mitspielt. (Als Grundmeditation sind auch Metaphermeditationen vorgeschlagen, dort soll für eine unanschauliche Wirklichkeit ein Bild gesucht werden - oder eine Sprichwortmeditation , in der man bestimmte Erlebnisse daraufhin ablauscht, ob man aus ihnen Wahrheiten erkennen kann, die auch auf anderen Ebenen des Lebens Gültigkeit haben).
- Meditieren heißt: Bereit
sein, sich verwandeln zu lassen.
Beim Meditieren geht es darum, zu
warten, was einem „einfällt", in mich hinein fällt, weil ich
offen bin - was mir einfällt, kann aus der Erinnerung kommen an etwas,
was ich gehört oder gelesen habe, es kann aus mir selbst kommen, und
es kann hier Gottes leise Stimme vernehmbar werden. Gott hat einen Wandlungsprozeß
mit mir vor - dem kann ich mich öffnen, aber auch verschließen.
- Den Weg des Gebetes muß sich jeder selbst suchen. Voraussetzung dafür ist das eigene, „gründliche" (den Grund suchen!) Sich-vertiefen in den Text selbst. Erst wenn ich den Text so in mir habe, daß er mit mir zu „sprechen" beginnt, können mir die einzelnen Punkte der Textmeditation (Versuch, diesen bestimmten Text auf Wahrheiten abzulauschen, die zwischen Gott und dem Menschen gelten) vielleicht zum tieferen Eindringen oder zu einer neuen Blickrichtung helfen. Das heißt nicht, daß man das hier Gesagte einfach nachvollziehen müßte - es sollte nur Ausgangspunkt sein, den man weiterführen, ergänzen oder auch - das wäre vielleicht oft das Beste - durch einen ganz anderen, besseren Satz ersetzen kann. Immer ist das Wichtigste das eigene, persönliche Gespräch mit Gott.
- Ob der Weg meines Betens sich in der richtigen Richtung bewegt, werde ich immer dort prüfen können, wo ich auf den schaue, der gesagt hat: „Ich bin der Weg". Die Christusmeditation ist die Mitte jeder Betrachtung, im Schauen auf Christus prüfe ich, ob die Wahrheit, die mir aus dem Text entgegenkommt, innerhalb der Fülle Gottes steht, wie sie mir durch Jesus Christus anschaubar wird.
- Im Schauen auf Jesus Christus erkenne ich auch, worum ich für mich selbst bitten darf, dieses Schauen weist meinem Bittgebet (Lebensmeditation, Existenzmeditation) ebenso die Richtung wie meinem Bußgebet (Bußmeditation).
- Ebenso zeigt das Schauen auf Christus meinem Fürbittgebet den Weg, Gott weiß besser als ich, was der Mensch braucht, für den ich bete - immer aber bete ich richtig, wenn ich um das bitte, was den anderen Christus ähnlicher macht (Fürbittmeditation ). Niemand geht den Weg für sich allein - immer bin ich hineingenommen in die Schar derer, die mit mir beten, die für mich beten und für die ich bete. Jeder Text trägt in sich die Möglichkeit und die Absicht, zur Fürbitte zu werden.
- Verkündigung ist Zeugnis.
In der Nachfolge Jesu bin ich nicht dazu gerufen, eine von mir selbst unabhängige
Wahrheit anderen mitzuteilen, sondern ich bin dazu gerufen, selber zum
Zeugen dieser Wahrheit zu werden. Zeuge sein aber kann nur, wer selbst
etwas erlebt oder erfahren hat, glaubhaft verkündigen kann ich nur,
was ich in mich eingelassen habe, was zu einem Teil meines Wesens geworden
ist. Deshalb ist bei den Gebeten so häufig die Ich-Du-Form gewählt,
nicht als „geistliche Nabelschau", sondern um mich selbst mehr und mehr
in das hinein verwandeln zu lassen, was ich in der Verkündigung weitergeben
möchte.
Das ist ein Prozeß, der das
ganze Leben fordert und bis zum Tod nicht abgeschlossen ist.
- Nachfolge heißt: Einswerden mit Christus. Was ich liebend anschaue, dem werde ich mehr und mehr ähnlich, nicht durch Willensakte, sondern durch einen Wachstumsprozeß von innen her. Auch dieser Prozeß fordert mich ganz und kommt erst in der Ewigkeit zu seiner letzten Vollendung.
- Nachfolge heißt: Einswerden
mit den Menschen. Je mehr ich für einen Menschen bete, desto tiefer
lerne ich ihn kennen. Aber ich kann - ohne innerlich unwahrhaftig zu sein
- nur das für einen anderen Menschen erbitten, was ich selbst zu tun
oder zu erleiden bereit bin. Deshalb ist Fürbitte immer sowohl Fürbitte
des Wortes als auch Fürbitte der Tat
. Diese Fürbitte der Tat kann entweder ganz konkret dem anderen etwas
von dem tun, was er nötig hat (Jak 2,16) oder - wo das nicht möglich
ist - im konkreten eigenen Leben etwas tun oder annehmen, was irgendwie
dem entspricht, was der andere tun oder annehmen sollte, was ich im Gebet
als Aufgabe für ihn erkenne.
Auch dieser Prozeß fordert
mich ganz und läßt mein Leben immer mehr zu einem Dasein für
andere werden.
- Nachfolge Jesu Christi ist ein
Weg, der hier beginnt und in der Ewigkeit Gottes endet. Das Gebet,
das in Worten geschieht, kann sich mehr und mehr wandeln in einem Gebet,
das immer weniger Worte braucht, bis es einmündet in das Schweigen
der Anbetung Gottes. Die Tiefenmeditation
versucht, aus der Fülle der Gedanken und Möglichkeiten ein Wort
oder Bild festzuhalten, das mich vielleicht ein wenig weiter in die Tiefe
auswählen, wo er sich am „tiefsten" angesprochen fühlt - dort
sollte er verweilen mit der Bitte, ganz geöffnet zu sein - was immer
bedeutet: sich ganz öffnen zu lassen.
In diesem Prozeß berühre
ich bereits in diesem Äon etwas von der Ewigkeit Gottes.
Aus jedem Text kann man unendlich viel heraushöben - das ist abhängig vom Menschen, der ihn meditiert und auch von der Situation, in der man sich gerade befindet. Hier wird ein Stück unserer menschlichen Begrenztheit sichtbar. Das Bemühen, Texte von einem zentralen Bild oder Gedanken her zu „fassen", hat vielleicht den Vorteil einer gewissen Einheitlichkeit, sicher aber auch den Nachteil einer großen Einseitigkeit. Deshalb ist es um so wichtiger, daß das hier Gesagte immer das bleibt, was es sein soll: Ausgangspunkt für eigenes, persönliches Beten, Anregung zum Suchen des eigenen persönlichen Weges.