Meditationen zu den Texten des Matthäusevangeliums |
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Die Texte sind nicht eigens aufgenommen, ich möchte darum bitten, daß ein jeder, der sich auf diese Meditationen einläßt, vor allem den Text benutzt, der ihm vertraut ist. „Der Verstand will immer etwas Neues, die Seele will immer das gleiche“, sagt ein griechischer Mönchsvater. Das gilt insonderheit für alles, was man meditieren will. Denn meditieren kann ich nur, was mir vertraut ist, was mir schon ins Herz gesunken ist.
Und noch etwas: In der Einführung zur Erstausgabe schrieb ich: „Die Exegese der Texte ist hier nicht aufgenommen, sie ist vorausgesetzt, dazu gibt es genug Literatur.“ Ich möchte hier den Grund für dieses Vorgehen noch etwas näher erläutern: Exegese ist wichtig - aber sie hat auch ihre Grenzen. So kostbar gute Exegese sein kann - sie geschieht „im Kopf“, im Verstand des Menschen und spricht diesen an. Meditation und Gebet aber zielen auf das „Herz“. Sie wollen den Betenden und Meditierenden kontinuierlich in seine „Mitte“ und „Tiefe“ leiten.
„Verstand“ und „Herz“ sind beides wichtige Dimensionen des Menschseins, man darf nie die eine auf Kosten der anderen außer acht lassen. Etwas anderes aber ist es, ob man beides immer gleichzeitig ansprechen kann und soll. Ich erlebte es bei einem Katechetenkonvent, in dem morgens katechetisch gearbeitet wurde und dann nachmittags Anleitung zum Meditieren auf dem Programm stand: Die Katecheten sagten mir, sie seinen einem anstrengenden Wechselbad ausgesetzt gewesen, morgens seien sie aktiviert worden - und nachmittags hätten sie total umschalten müssen, um innerlich zur Ruhe zu kommen.
Diese Schwierigkeit möchte ich denen ersparen, die sich auf dieses Buch einlassen - und betone noch einmal ausdrücklich, daß dafür andere Bücher zur Verfügung stehen, etwa das „Matthäusevangelium“ von J. Gnilka (Verlag Herder, Freiburg i. Br. 1988.).
Natürlich wäre es das Ziel, das „Kopf“ und „Herz“ so mühelos zusammenstimmten, daß sie nicht mehr als Dissonanzen erlebt würden, sondern miteinander eine Melodie bildeten. Aber bis dahin ist heute noch für viele ein weiter Weg zurückzulegen. Und ehe dieses Stadium erreicht ist, befinden sich diese beiden Kräfte noch häufig in einem Widerstreit, der sehr anstrengend sein kann. Fast alle befinden wir uns noch in diesem Stadium und müßten erst in einer sehr großen Tiefe „umschalten“, nachdem wir die Exegese gelesen haben, um für die meditativen Gedanken aufnahmefähig zu werden. Oft gelingt das nur sehr schwer.
Deshalb verzichtet dieses Buch auf exegetische Textdeutungen und -erklärungen, um den Weg des Meditierens, den Weg der unmittelbaren Berührung von Gott und Mensch, von Wort Gottes und Antwort des Menschen, nicht zu erschweren. Diesem Ziel ist das Buch verpflichtet und möchte sich deshalb auch darauf konzentrieren.